Sigfried Bräuer, Strebet allein nach dem göttlichen Worte. Die Anfänge der Reformation in den sächsischen Hansestädten, in: Matthias Puhle (Hrsg.), Hanse – Städte – Bünde. Die sächsischen Städte zwischen Elbe und Weser um 1500. Magdeburg 1996, 615–632.
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Friedrich Hülße, Die Einführung der Reformation in der Stadt Magdeburg. Magdeburg 1883.
Thomas Kaufmann, Das Ende der Reformation. Magdeburgs „Herrgotts Kanzlei“ (1548-1551/2). Tübingen 2003.
Joachim Rogge, Art. Amsdorff, Nikolaus von, in: Theologische Realenzyklopädie 2 (1978), 487–497.
Mathias Tullner, Die Reformation in Stadt und Erzstift Magdeburg, in: Sachsen-Anhalt. Beiträge zur Landesgeschichte 6 (1996), 7–40.
Note:
Orig.; 2 Blätter, Papier, 22,1 x 32,5 cm, beidseitig beschrieben, Rückseite 2. Blatt: Adresse; Brief; Verschluss-Siegel des Ausstellers fehlt; Eigenhändige Ausfertigung
Historical Placement:
Im Jahr 1524 überschlugen sich die Ereignisse in Magdeburg: Der Unmut über den Klerus verschärfte sich zunehmend mit dem fortwährenden Eindringen des reformatorischen Gedankenguts in die Stadt und vermischte sich mit antiklerikalen Tendenzen. Als Träger der reformatorischen Bewegung traten vor allem die Unter- und Mittelschichten hervor, die eine kirchliche Neuordnung im evangelischen Sinne wünschten. Innerhalb der Stadt waren damit mehrere Konfliktlinien verbunden: So herrschte ein Machtkampf zwischen dem Rat und den Stadtbürgern, die die Wahl des eigenen Pfarrer forderten und sich dieses Rechts ohne Zustimmung bemächtigten. Der skeptische und unentschlossene Rat, der mit Sorge die verbalen und gewalttätigen Konflikte in der Stadt beobachtete, fand zunächst keine klare Position, wie er sich gegenüber der evangelischen Bewegung verhalten sollte. Doch die anfängliche Zurückhaltung des Rates wich einer Politik der aktiven Duldung, bis er sich schließlich als Förderer der Reformation an die Spitze der Bewegung setzte.
Nachdem Martin Luther im Juni 1524 mehrere Predigten in Magdeburg gehalten hatte, führte der Rat einen Monat später die Reformation in der Stadt ein. Mit dieser neuen Haltung löste der Rat aber eine neue Konfrontationsphase im jahrhundertealten Konflikt mit dem Domkapitel aus. Das Domkapitel bemühte sich, die Reformation einzudämmen und aufzuhalten. Beide Parteien standen sich dadurch mit gegensätzlichen und widerstreitenden Positionen, nämlich der altgläubigen und evangelischen Glaubenshaltung gegenüber. Hinzu verlor die Stadt durch ihren Glaubenswechsel die Schutzzusagen von Kurfürst Joachim von Brandenburg (1484-1535), die seit 1516 bestanden hatten. Dies war sehr folgenreich, wurde doch so der Handel durch Übergriffe in Kurbrandenburg erheblich gestört. Auch Herzog Georg von Sachsen (1471-1539) hob das freie Geleit für die Magdeburger Händler in seinem Herrschaftsgebiet auf, was zu wirtschaftlichen Nachteilen führte.
Während es im Zuge der Einführung der Reformation zu wiederholten Unruhen, Klosterplünderungen, Anfeindungen gegenüber den Domgeistlichen und zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kam, reichte Kardinal Albrecht von Brandenburg (1490-1545) als Landesherr der Magdeburger nach Bitten seines Domkapitels Klage gegen die Alte Stadt wegen Ungehorsam und Aufbegehren beim Reichskammergericht ein. Die Ladung vor Gericht und die darauf folgenden Achtandrohungen durch Kaiser Karl V. (1500-1558) brachte das Fass sprichwörtlich zum Überlaufen und schürte die Radikalisierung in der Stadt. Das Aufbegehren richtete sich nun explizit gegen das Domkapitel, sah man doch in diesem den Urheber des Konflikts. Gewaltsame Übergriffe, Beschimpfungen und Tulmulte in den Gottesdiensten waren die Folge.
In dieser Situation bemühte sich der Rat mit ausdrücklicher Unterstützung Kurfürst Friedrichs des Weisen (146-1525) um Nikolaus von Amsdorf (1483-1565). Der zu Torgau geborene Amsdorf gehörte zu den wichtigsten Theologen im Umfeld von Martin Luther (1483-1546) und fungierte als Verbindungsmann zwischen dem „entführten“ Luther auf der Wartburg, Kurfürst Friedrich dem Weisen und den Stadtbürgern von Wittenberg. Gemeinsam mit Philipp Melanchthon (1497-1560) wirkte er nachhaltig auf die Wittenberger Reformation ein. Nach ausdrücklicher Empfehlung Luthers wurde Amsdorf zum neuen Pfarrer an der Magdeburger Ulrichskirche berufen. Amsdorf etablierte in Magdeburg die Reformation nach Wittenberger Vorbild und nahm die Neugestaltung des kirchlichen Lebens vor. So führte er noch im selben Jahr den evangelischen Gottesdienst ein.
Die aufgeheizte Stimmung in der Stadt hielt sich auch noch im Jahr 1525. Wie der vorliegende Brief zeigt, trat Amsdorf als vermeintlicher Vermittler zwischen beiden verfeindeten Lagern auf. Statt die Reformation zu unterdrücken, so forderte er, solle Kardinal Albrecht die Glaubensfreiheit gewähren. Auch wenn Albrecht nicht in der erhofften Form reagierte, so wurde Amsdorf doch zur prägenden Figur bei der Suche nach einer neuen, evangelisch-städtischen Identität. Als erster Superintendent Magdeburgs sollte Amsdorf die Reformation in Magdeburg entscheidend mitgestalten. Neben dem Ablauf des Gottesdiensts beeinflusste er das städtische Schulwesen und verfasste zahlreiche Streitschriften gegen die päpstlichen Lehren und gegen konkurrierende evangelische Strömungen.