Helmut Asmus, 1200 Jahre Magdeburg. Von der Kaiserpfalz zur Landeshauptstadt, Bd. 1: Die Jahre 805-1631. Magdeburg 1999.
Sigfried Bräuer, Strebet allein nach dem göttlichen Worte. Die Anfänge der Reformation in den sächsischen Hansestädten, in: Matthias Puhle (Hrsg.), Hanse – Städte – Bünde. Die sächsischen Städte zwischen Elbe und Weser um 1500. Magdeburg 1996, 615–632.
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Lutz Miehe, Magdeburg im Zeitalter der Reformation (1517-1551), in: Matthias Puhle/Peter Petsch (Hrsg.), Magdeburg. Die Geschichte der Stadt 805-2005. Dössel 2005, 313–342.
Anja Moritz, Interim und Apokalypse. Die religiösen Vereinheitlichungsversuche Karls V. im Spiegel der magdeburgischen Publizistik 1548-1551/52. Tübingen 2009.
Mathias Tullner, Die Reformation in Stadt und Erzstift Magdeburg, in: Sachsen-Anhalt. Beiträge zur Landesgeschichte 6 (1996), 7–40.
Note:
Korrigierte Reinschrift, 21 x 32 cm, 1 Bl. beidseitig beschrieben
Historical Placement:
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts gehörte die Altstadt Magdeburg mit etwa 30.000 Einwohnern zu den wichtigsten und größten Städten im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Durch sein Stapelrecht besaß die Stadt eine Monopolstellung für den gesamten Elbhandel, vor allem was die Getreideverschiffung betraf. Dies wirkte sich auch auf das Selbstverständnis der Stadt aus: Man sah sich als selbstständig agierende Stadt an. Seit dem Spätmittelalter hatte die Stadt immer mehr Rechte vom Landesherrn abringen können und sie verfolgte das Ziel, die Reichsunmittelbarkeit zu erlangen, was so viel bedeutete, als dass die Stadt direkt dem Kaiser unterstehen und nicht mehr untergeordnet zur Herrschaft des Erzstifts Magdeburg gehören sollte. Mit der zusätzlichen Übernahme des Erzbistums Mainz war der Magdeburger Erzbischof Albrecht 1514 in eine starke finanzielle Abhängigkeit gegenüber seinen Kreditgebern, den Fuggern, aber auch seinen Landständen geraten. Dadurch eröffneten sich für Magdeburg neue Möglichkeiten der politischen Gestaltung mit dem Ziel der Unabhängigkeit.
Aus der Stellung Magdeburgs als Sitz eines Erzbischofs ergab es sich, dass innerhalb des Stadtgebietes auch die Geistlichen des Domkapitels sowie viele weitere Kleriker lebten, die nicht dem Rat unterstanden, sondern eine rechtliche Sonderstellung genossen. Sie besaßen eine eigene Gerichtsbarkeit in dem dazugehörigen Viertel rund um den Dom und die Personen, die im Bereich des Domes (Neuer Markt) wohnten und zum erzbischöflichen Hof zugehörig waren, verfügten darüber hinaus über eine Immunität im restlichen Gebiet der Altstadt. Der Stadtrat war naturgemäß darauf bedacht, seine Privilegien vehement zu verteidigen, gerade angesichts der wachsenden Konkurrenz durch die aufblühenden Handelsstädte Leipzig, Hamburg und Braunschweig, und zugleich sein Einflussgebiet möglichst zu erweitern. Dies führte dazu, dass immer wieder Streitigkeiten zwischen dem Klerus und dem städtischen Verantwortlichen auftraten.
Diese Konfliktlage spiegelt sich in den vorliegenden Anschuldigungen wider. Der Rat beschwerte sich bei Kardinal Albrecht über die Geschäfte der Domgeistlichen. So würden Kleriker Häuser außerhalb der Domfreiheit erwerben, seien jedoch nicht bereit, die städtischen Abgaben, die Grundstücksteuer oder Schoß, dafür zu bezahlen. Anlass zur Klage war außerdem, dass die Geistlichen bürgerlichen Tätigkeiten nachgingen und den Handwerksinnungen zunehmende Konkurrenz machten. So betrieben sie – ebenfalls abgabefrei – Wein- und Bierausschänke. Auch dass auf dem Domplatz (Neumarkt) ein reges Markttreiben herrschte und im Liebfrauenkloster Münzen geprägt werden durften, war der Stadt ein Dorn im Auge, der es hier um das Ausschalten unliebsamer Konkurrenz ging. Vom Konkurrenzgedanken geprägt waren auch die Klagen über die Einwohner der vorgelagerten Städte Neustadt und Sudenburg sowie über die eigenen Bürger, die mit diesen kooperierten, indem sie deren Geschäfte unter den besseren Konditionen abwickelten, die für Bürger der Altstadt galten. Ferner beklagte sich der Rat über die landesherrliche Verwaltung des Erzbischofs, so etwa über nicht beantwortete Klagen in der Kanzlei oder über Behinderungen Magdeburger Fischer in Wolmirstedt und Schönebeck.
Zum anderen reagierte der Rat mit rigiden Maßnahmen: So erhöhte er die Stadtmauer und Befestigungsanlagen, vermauerte dafür Türen und Fenstern von Häusern, die an der Stadtmauer lagen, wovon zahlreiche Häuser der Geistlichen betroffen waren. Dies glich einer Kampfansage. Die erregte Bürgerschaft verlangte sogar die Aufkündigung des Schutzes der Geistlichen durch die Stadt. Solche Forderungen richteten sich klar gegen die Hoheitsrechte des Domkapitels und zeigten die Konfliktlinie über Kompetenz- und Privilegienverteilung deutlich auf.
Als Katalysator für lange bestehende Streitigkeiten wirkte die neue evangelische Lehre. Durch die ausgeprägte Handelsverflechtungen der Magdeburger und die geographische Nähe zu Wittenberg gelangte das lutherische Gedankengut frühzeitig in die Stadt und fiel hier auf einen fruchtbaren Boden. Der Ablassprediger Johann Tetzel war in Magdeburg nicht hoch angesehen, weshalb er rasch die Stadt wieder verließ und nach Halle und Jüterbog weiterzog. Im Jahr 1521 wurden hier bereits erste Schriften gegen den Klerus öffentlich verbreitet und erste Anfeindungen waren zu beobachten. Besonders die Mittel- und Unterschicht wandte sich schnell der neuen Lehre zu. Seit 1522 verstärkten sich die Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern Luthers und den altgläubigen Geistlichen und verquickten sich mit alten Konfliktlagen, zumal der Rat der Stadt sich nun selbst der neuen Lehre zuwandte. Die Politik Kardinal Albrechts, der harte Maßregeln gegen die Lutheranhänger verhängte und in die kirchlichen Belange der Stadt eingriff, sorgte zusätzlich für Unmut.
Alle Verhandlungsversuche zwischen Stadt und Domkapitel scheiterten, der Konflikt zog sich bis in den August 1525 ergebnislos hin. Erst nach mehreren Unterredungen und der drohenden Gefahr des Bauernkrieges gelang ein Vergleich, der größtenteils auf Grundlage der oben stehenden 16 Artikel aus dem Jahr 1523 beruhten. Da der Vertrag die Religionsangelegenheit unbeachtet ließ, schuf er aber neues Potenzial für neue Konflikte und sollte damit keine dauerhafte Lösung darstellen.