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Sigfried Bräuer, Strebet allein nach dem göttlichen Worte. Die Anfänge der Reformation in den sächsischen Hansestädten, in: Matthias Puhle (Hrsg.), Hanse – Städte – Bünde. Die sächsischen Städte zwischen Elbe und Weser um 1500. Magdeburg 1996, 615–632.
Friedrich Wilhelm Hoffmann’s Geschichte der Stadt Magdeburg, neu bearbeitet von Gustav Hertel und Friedrich Hülße, 1. Bd. Magdeburg 1885.
Thomas Kaufmann, Das Ende der Reformation. Magdeburgs „Herrgotts Kanzlei“ (1548-1551/2). Tübingen 2003.
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Mathias Tullner, Die Reformation in Stadt und Erzstift Magdeburg, in: Sachsen-Anhalt. Beiträge zur Landesgeschichte 6 (1996), 7–40.
Note:
Urkunde, Org., Aufgedrücktes Siegel auf der Rückseite, 58,5 x 43,2 cm, Papier
Historical Placement:
Als am 8. Mai 1521 das Wormser Edikt auf dem Reichstag erlassen wurde, erhoffte sich Kaiser Karl V., damit der Ausbreitung der Lehren und Schriften Martin Luthers erfolgreich entgegen getreten zu sein. Doch das Edikt wurde nicht im gesamten Reich als rechtskräftig angesehen, da einige lutherfreundliche Stände den Reichstag zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen hatten. Die lutherischen Ideen konnten sich so weiterhin ungehindert im Reichsgebiet ausbreiten und stießen vielerorts auf rege Anteilnahme. Magdeburg gehörte zu den ersten großen Städten, die sich mit dem reformatorischen Gedankengut auseinandersetzen, was vor allem durch die Nähe zu Wittenberg, das ausgedehnte Handelsnetz der Magdeburger und dem damit verbunden Wissensaustausch wie auch die Verbundenheit Martin Luthers mit der Stadt selbst – so besuchte er 1497 die Magdeburger Stadtschule – erklärt werden kann. Bereits 1524 wurde die Reformation nach Wittenberger Vorbild in der Stadt (mit Ausnahme des Domes) eingeführte. Getragen wurde die Bewegung besonders durch die unteren und mittleren Schichten der Stadtbewohner. Der Stadtrat selbst stand dem neuen Glauben anfänglich mit Distanz gegenüber, weil er Gewalt und Unruhen fürchtete. Er entschied sich aber dennoch rasch dazu, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen. Dies hatte überwiegend damit zu tun, dass er sich so neue Einflussnahme innerhalb der Stadt erhoffte, da nun das Kirchenwesen auch in den Zuständigkeitsbereich des Rates fiel, und es den Bestrebungen nach der städtischen Unabhängigkeit gegenüber seinem Landesherren, Kardinal Albrecht von Brandenburg, und den Wunsch der Reichsunmittelbarkeit förderte. Eine Schlüsselrolle kam dabei dem Bürgermeister Nicolaus Storm zu, der Luther 1524 nach Magdeburg bat.
Doch die Ereignisse in der Stadt liefen nicht ganz gewaltfrei und ohne Konflikte ab. Zunächst schafften die Augustinermönche 1524 die katholische Messe ab, danach folgten die Geistlichen der Jakobi-, Petri- und Katharinenkirche sowie die Nonnen des St. Maria-Magdalenen-Kloster; kurze Zeit später taten es ihnen auch die Geistlichen der Johannis- und der Ulrichskirche gleich. Damit waren alle Pfarreien der Altstadt Magdeburg – natürlich mit Ausnahme des Domes – evangelisch geworden. Begleitend zu der Verdrängung romtreuer Priester und der Wahl der eigenen Pfarrer kam es zu mutwillige Beschädigungen des Kirchenguts sowie zu Bilderstürmen in den städtischen Kirchen und umliegenden Klöstern. Noch im selben Jahr erhielt der Rat der Altstadt deshalb ein Schreiben der Hofräte Kardinal Albrechts und des Domkapitels, das sich gegen die Missachtung der kirchlichen Praktiken aussprach und die Übernahme der lutherischen Lehre auf Schärfste anprangerte. Sie verlangten den erneuten Wechsel zum rechten Glauben und die Herstellung der alten kirchlichen Gebräuche. Für die Zerstörungen sollte der Rat ein Strafgeld zahlen. Andernfalls drohte man, die Reichsacht gegen die Stadt zu erwirken. Die Reichsacht stellte eine der höchsten Reichsstrafen dar, die u. a. bei Landfriedensbruch, einen päpstlichen Kirchenbann oder bei Majestätsverbrechen verhängt wurde. Sie zielte darauf ab, den Geächtete außerhalb der Rechtsfriedensordnung zustellen, und bedeutete für eine Stadt vor allem finanzielle und wirtschaftliche Verluste sowie eine politische Isolierung.
Nachdem mehrmalige Aufforderungen Kardinal Albrechts nichts bewirkten, verklagte dieser im Herbst 1524 die Stadt vor dem Reichskammergericht. Nun sollte die Reichsinstitution den Konflikt lösen. Die Stadt reagierte empört auf diese Anklage und berief wie zum Trotz Nikolaus von Amsdorf, einen engen Gefolgsmann Luthers, zum neuen Pfarrer und späteren ersten Superintendenten an der Ulrichskirche ein. Statt der gewünschten Befriedung kam es zu weiteren Unruhen unter den Stadtbürgern und die Stadt musste sich auf eine militärische Konfrontation einstellen. Es folgten Klosterschließungen und weitere Vertreibungen von Ordenspersonen. Diesen wurde verboten, Messe zu halten, zu predigen und für ihren Unterhalt betteln zu gehen. Sie sollten vielmehr den evangelischen Glauben annehmen oder die Stadt verlassen. Auch der alte Konflikt zwischen Rat und Domkapitel schwelte weiter.
Doch die Verhandlungen im Reichskammergericht zogen sich bis 1525 hin, ohne dass es zu einer Urteilsfindung kam. Durch den Bauernkrieg verlagerte sich zudem der Schwerpunkt der Reichspolitik, sodass der Prozessverlauf weiter verzögert und die Maßregeln gegen die Stadt zunächst zum Erhalt der Eintracht im Erzstift Magdeburg zurückgenommen wurden. Erst mit dem Ende der Bauernaufstände und dem klaren Sieg der (alt- und neugläubigen) Fürsten flammte der Konflikt wieder auf. Verschärfend wirkte 1526 der Eintritt Magdeburgs in den Torgauer Bund – einem evangelisches Schutzbündnis – und die gleichzeitige Ankündigung Kaiser Karls V., nun endgültig die lutherische Ketzerei auszurotten.
Der Prozess endete mit der Androhung der Reichsacht im Juli 1527. Die Acht war reichsrechtlich nicht ganz ungerechtfertigt. Alle im Mandat erhobenen Vorwürfe, besonders das die Stadt gegen das kaiserliche Edikt von Worms verstoßen habe, entsprachen den Tatsachen. Drei Monate später erfolgte die Verhängung der Acht. Doch zur tatsächlichen Vollstreckung sollte es nicht kommen. Zum einen fürchtete Kardinal Albrecht einen militärischen Konflikt, da sich die Magdeburger durch ihren Beitritt zum Torgauer Bund die Unterstützung der evangelischen Reichsstände sichern konnten. Zum anderen war er auf Grund seiner enormer Schulden bei den Fuggern von seinen Landständen und insbesondere von den Zahlungen aus dem reichen Magdeburg finanziell abhängig. Er ließ aus diesem Grund die Acht nicht öffentlich verkünden.
So blieben die Verhältnisse in Magdeburg in der Schwebe. Während die Reichsacht im Hintergrund drohte und auf die fehlende reichsrechtliche Anerkennung des neuen Glaubens verwies, konnte sich die Reformation in Magdeburg weiter ausbreiten. Eine Lösung dieses Problems sollte erst mit dem Augsburger Religionsfrieden 1555 gefunden werden.