Am 6. Dezember 1527 erschien bei dem Buchdrucker Johann Loersfeld, der sich eben erst in Marburg niedergelassen hatte, eine anonyme Schrift darüber, „Was der [...] Landgraf zu Hessen [...] mit den Klosterpersonen, Pfarrherrn und abgöttischen Bildern [...] unternommen“ hat. Ein Titelholzschnitt mit dem Wappen Landgraf Philipps des Großmütigen gab ihr einen geradezu offiziellen Charakter. Bereits im darauffolgenden Jahr wurde sie in Nürnberg nachgedruckt, dieser Nürnberger Druck wird hier vorgestellt. Im Gegensatz zu seiner Marburger Vorlage ist er weitaus schlichter, ja lieblos (z.B. Zeilenumbruch Bl. B 1v–B 2r) hergestellt, die Drucktypen sind kleiner, die Zeilenabstände enger, auf dem Titelblatt wurde das landgräfliche Wappen durch eine etwas beliebige Bordüre mit Rankwerk und Putten ersetzt. Der Text selbst wurde in eine andere Sprachlandschaft übertragen (bspw. „hohe“ zu „hoch“, „außgifft“ zu „außgab“, „nicht“ zu „nit“, „wilchs“ zu „welchs“, Silbe „vor-„ zu „für-“ („fürtreglich“), an anderen Stellen aber auch verschlankt (konsequent „yhrenn“ zu „iren“; „ynn“ zu „in“), die Syntax durch einen sinnvolleren Einsatz von Majuskeln vereindeutigt und die Umlautzeichen konsequent gesetzt. Dem Drucker kam es auf die Verbreitung des Textes und nicht auf seine Gestaltung an. Die Reichsstadt Nürnberg war selbst auf dem Weg zur Reformation und bildete ihrerseits ein Zentrum, das nicht alleine auf Mittelfranken, sondern auf den ganzen oberdeutschen Raum ausstrahlte. Offensichtlich betrachtete man die Vorgänge in Hessen hier als so wichtig, dass der Drucker mit einem entsprechenden Interesse an seinem Erzeugnis rechnen konnte.
Die Schrift selbst ist anonym veröffentlicht, aber aus den Reihen der ebenfalls 1527 eröffneten Marburger Universität hervorgegangen. „Rektor und Verwalter“ der Universität gaben ihr eine relative lange Vorrede bei, in der sie die geschilderten Maßnahmen, deren Nutznießer sie selbst waren, begrüßten und hart gegen die Klöster zu Felde zogen („Rachen des Teufels“). Zugleich nahmen sie eine Bestimmung der Adressaten der Schrift vor: Sie richte sich weder an die Gläubigen, das heißt: Evangelischen, noch die Gottlosen, will sagen Altgläubigen (die ersten bedurften ihrer nicht, die zweiten waren auf diese Weise, so die realistische Einschätzung, nicht zu überzeugen), sondern an die Glaubensschwachen, die Unentschlossenen. Mit dieser gelehrten Flankierung des landesherrlichen Handelns demonstrierte die Universitätsleitung, was der Landgraf künftig von seiner neuen Landesuniversität erwarten durfte. Die Forschung ist sich seit langem einig, dass die Schrift Johannes Eisermann (1485–1558) zuzuschreiben ist, der latinisiert Ferrarius oder nach seinem Geburtsort Amöneburg auch Montanus genannt wurde. Eisermann war Professor für Zivilrecht und – eben im Jahr 1527 – erster Rektor der Universität Marburg.
Eisermann hatte in Wittenberg studiert, zu der Zeit als die Universität im Sinne der Reformation umgestaltet wurde, war dort 1521 Rektor geworden, 1523 aber nach Marburg übersiedelt, um dort Ratsherr und Schöffe am Stadtgericht zu werden. 1524 wurde er Beisitzer am landesherrlichen Samthofgericht, und blieb dann bis zu seinem Lebensende abwechselnd im Dienst von Universität, Hof und Stadt tätig. Obwohl er in Wittenberg Theologie studiert hatte, wurde er durch Lehre und Praxis zu einem ausgewiesenen Juristen, der nun daranging, das alte Recht im Licht der neuen Lehre zu interpretieren. Davon zeugt gerade auch die vorliegende Schrift.
Eines der Argumente, das für Eisermann als Verfasser spricht, ist der mehrfache Argumentation mit dem „Gemeinsamen Nutzen“: Der Fürst handle „Landen und leuͤten [...] zů gůtem, besserem nutz und gedeyhen“, die Klöster dagegen zu „frembden nutz“ (Bl. B 1r); der Fürst sei ein christlicher Fürst, der dem „gemeynem nutz zů gůtem“ regiere (Bl. B 1v, vgl. B 2r); 30 gerüstete Männer sollen „zů gemeynem nutz“ und fürstlichem Gefallen dienen (Bl. B 1v), etc. Die Kategorie „Gemein Nutz“ ist aus der Staatslehre des Aristoteles abgeleitet und hatte an der Wende zum 16. Jahrhundert Konjunktur: Sie spielte bereits im hessischen Verfassungskonflikt im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts eine Rolle und wurde bei der Homberger Versammlung 1526 in die Diskussion gebracht. Dann wurde sie aber vor allem von Eisermann in zwei staatstheoretischen Schriften entfaltet: „Von dem Gemeinen nutze“ (Marburg: Franz Rhode, 1533; VD16 E 890) und „De Republica bene instituenda Paraenesis“ (Basel: Johann Oporinus, 1556; VD16 E 891). Sie sind ein beachtenswerter Beitrag zur Staatstheorie der Frühen Neuzeit und der Begründung einer protestantisch grundierten Territorialstaatlichkeit.
Die Schrift „Was der Durchleuchtig...“ ist von ihrem Thema her wesentlich enger begrenzt: Sie reflektiert die Beschlüsse des Landtags, den Landgraf Philipp für den 15. Oktober 1527 nach Kassel einberufen hatte, um endgültig über die Zukunft der Klöster zu beschließen. Im Abschied dieses Landtags, den der Landesfürst und Vertreter der Stände gemeinsam besiegelten, heißt es, dass man alle Beschlüsse „zu furderung gemeines nutzes“ getroffen habe. Dass hier ebenfalls die Idee des Gemeinen Nutzens aufgegriffen wird, verdeutlicht das Ineinander von Politiktheorie, Politik und deren publizistischer Verteidigung, das sich aus der Nähe von Hof, Gericht/Rat und Universität in Marburg ergab, wie sie gerade auch durch die Person Eisermanns verkörpert wurde.
Der Landtag beschloss im Einzelnen: (1) Die Abschichtung der Ordensleute, ihre Versorgung, wenn sie in den Klöstern bleiben wollten, und ihre Abfertigung mit (insbesondere bei Adligen) beträchtlichen Geldbeträgen, wenn sie sie verlassen wollten. (2) Die Umwandlung der Stifte Kaufungen und Wetter in adlige Pensionseinrichtungen (statt der zunächst geplanten Bildungs- und Erziehungseinrichtungen). (3) Die Einrichtung einer „schnellen Eingreiftruppe“ von 30 Adligen, die auf Landeskosten unterhalten werden und dafür auf Anforderung einsatzfähig sein sollten. (4) Die Widmung von Klostergut zur Ausstattung der Universität Marburg. Der Druck findet hier die schönen Worte: Die Universität sei eine „herrliche und christliche Sache“, die der „Wiederaufbringung der guten Künste und gelehrter Leute“ dient. (5) Die Überweisung des übrigen Klosterguts an die neu eingerichteten Gemeinen Kästen. Damit sollte jeder Anschein „aigens nutzens“ des Landesherrn bei der Güterverwertung vermieden werden. Eine jährliche Rechnungslegung durch eingesetzte Vögte sollte für Transparenz gegenüber der Landschaft sorgen. Gleichwohl hielt sich der Landesherr die Hintertüre offen, auf die Überschüsse zuzugreifen, „wo es unser und gemeines landts notturft erfordern wirdet“, denn damit könne auf die sonst übliche Erhebung von Sondersteuern verzichtet werden und die Untertanen würden entlastet. Das war natürlich eine höchst fadenscheinige Begründung, die zeigt, wie ambivalent sich mit dem Gemeinen Nutzen argumentieren ließ. Denn wann hatte der Landesherr keine „Notdurft“ an Geldmitteln? Bezeichnenderweise wurde gerade diese Möglichkeit bei der Ausarbeitung der Kastenordnung von 1533 ausdrücklich ausgeschlossen. Die Kasseler Landtagsbeschlüsse bedeuteten vor allem die Herstellung von Konsens zwischen Landesherr und Adel, der mit den Klosteraufhebungen in seinen Interessen (Versorgung nachgeborener Kinder) beeinträchtigt wurde, ohne davon selbst zu profitieren, und nun durch beträchtliche Zugeständnisse für das weitere landesherrliche Vorgehen gewonnen wurde. Als Legitimationsgrundlage verwies der Landtagsabschied einerseits auf den Abschied des Speyrer Reichstags von 1526 (der dafür weit interpretiert wurde, eine solche Interpretation aber zuließ) und die Notwendigkeit, wegen der Ordensleute tätig zu werden: Denn das Ordensleben sei unchristlich, ärgerlich und Gott hochgradig missfällig.
Eisermanns Schrift „Was der Durchleuchtig...“ nahm diese Beschlüsse und ihre Begründung auf, machte sie bekannt und verteidigte sie, indem sie sie polemisch weiter zuspitzte. Eisermann verbindet die damals schon bekannten theologischen Argumente gegen das Ordensleben (es sei nicht von Christus gestiftet und daher nicht schriftgemäß, sei Ausdruck der Werkheiligkeit, etc.) mit scharfen Angriffen („ausgedachte Heuchelei und selbstgemachte Heiligkeit“), Verallgemeinerungen und auch Unrichtigkeiten, die lange nachwirkten: Dazu gehört die pauschale Behauptung, drei Viertel der Insassen der hessischen Klöster stammten aus dem Ausland, und alle Ordensangehörigen seien austrittswillig. Erst die Auswertung der Protokolle der Abfindungskommission, die 1527 die einzelnen Klöster bereiste und jeden einzelnen Ordensangehörigen erfasste, durch Eckhart G. Franz, korrigierte dieses Bild: Weniger als 20 % der Ordensleute waren Nicht-Hessen, vor allem aus Westfalen und dem Rheinland, und von ihnen waren zunächst auch keineswegs alle gewillt, ihre Klöster zu verlassen, sondern mussten erst dazu gedrängt werden.
Wichtiger noch als solche Einzelheiten, ist der argumentative Rahmen, den Eisermann entwirft: Schon die Unterscheidung inländisch/ausländisch und noch viel mehr das Postulat, dass Klöster zum Gemeinen Nutzen des Landes beitragen müssten, ja dass es die „die Klöster seiner Gnaden“ (also des Landesherren) seien (Bl. B 1r), waren ganz neue Kategorien, die aus der Perspektive des neuzeitlichen Territorialstaats an die bisherigen Verfassungsverhältnisse herangetragen wurden: Denn Klöster waren eigenständige Einrichtungen, selbst verfasste Inseln im Territorium, die in vielen Fällen in territorienübergreifenden, mitunter sogar gesamteuropäischen Strukturen organisiert waren. Im Hochmittelalter hatten sie sich die Unabhängigkeit von der weltlichen Herrschaft erstritten. Zwar ergaben sich über die Vogtei gewisse weltliche Eingriffsrechte, die mit der Welle der landesherrlich geförderten Klosterreformen im 15. Jahrhundert ausgebaut wurden, sodass auch Landgraf Wilhelm II. seinen Sohn Philipp in seinem Testament aufgefordert hatte, die Klöster zu reformieren. Aber die Behauptung, dass die Klöster Bestandteil des Landes und dessen Gemeinen Nutzen zu unterwerfen seien, bedeutete nichts anderes als ihre Säkularisation.
Mit seiner ganzen Argumentationsstruktur legte Eisermann also neue Maßstäbe an die Gegebenheiten an, die dem bisher Selbstverständlichen den Boden entzogen und es delegitimierten. Eisermanns Schrift zeigt damit nicht nur, wie die neue Universität zum Stichwortgeber für das Handeln des Landesherrn in Hessen wurde, sondern auch, wie neue gelehrte Diskurse eine neue soziale und politische Wirklichkeit schufen.