Richard Kanngießer, Der Zug des Herzogs Georg von Mecklenburg in’s Erzstift Magdeburg im Jahre 1550. Magdeburg 1888.
Friedrich Wilhelm Hoffmann’s Geschichte der Stadt Magdeburg, neu bearbeitet von Gustav Hertel und Friedrich Hülße, 1. Bd. Magdeburg 1885.
Thomas Kaufmann, Das Ende der Reformation. Magdeburgs „Herrgotts Kanzlei“ (1548-1551/2). Tübingen 2003.
Anja Moritz, Interim und Apokalypse. Die religiösen Vereinheitlichungsversuche Karls V. im Spiegel der magdeburgischen Publizistik 1548-1551/52. Tübingen 2009.
Mathias Tullner, Die Reformation in Stadt und Erzstift Magdeburg, in: Sachsen-Anhalt. Beiträge zur Landesgeschichte 6 (1996), 7–40.
Note:
Orig., Papier, 32,2 x 20 cm, 2 Blätter, beidseitig beschrieben
Historical Placement:
Nach der siegreichen Beendigung des Schmalkaldischen Krieges befand sich Kaiser Karl V. auf dem Höhepunkt seiner Macht. Mit allen Mitteln wollte er ein Exempel an der aufsässigen Stadt Magdeburg statuieren. Als sie dem wiedereingesetzten Erzbischof Johann Albrecht die Huldigung und dem Kaiser den Gehorsam verweigerte, verhängte Karl V. erneut die Reichsacht. Das Ziel seiner Reichspolitik war es, den mittelalterlichen Aufbau der Reichskirche zu erhalten und die kirchliche Spaltung rückgängig zu machen. Dazu sollten die Protestanten – notfalls auch mit Gewalt – wieder in die alten Strukturen eingegliedert werden.
Diese Position vertrat auch das katholisch gebliebene Domkapitel in Magdeburg. Zu groß war der Groll auf die Magdeburger nach deren Fehdeerklärung Anfang 1547, der Vertreibung der Domgeistlichen aus ihrer Kirche und der Einnahme der zum Domstift gehörenden Besitzungen in und um die Stadt. Der jahrhundertealte Grundkonflikt zwischen Rat und Domkapitel hatte durch die zunehmend kompromisslose Politik des Stadtrates deutlich an Schärfe gewonnen.
Wie schon 1527 war die Erklärung der Reichsacht aber nicht gleichbedeutend mit deren Exekution. Diese blieb zunächst in der Schwebe, da sich zwischen den einzelnen beteiligten Reichsständen und dem Kaiser unterschiedliche politische Motivationen abzeichneten. Auch war die eingeschlagene Interimspolitik des Kaisers von 1548 wenig dienlich für eine einheitliche Vorgehensweise gegen Magdeburg. In Magdeburg selbst setzte in der Folge eine Widerstandsbewegung ein, die vor allem mit Hilfe von Wort und Schrift, also in medialer Form, geführt wurde. Es entstanden zahllose Flugschriften gegen das Interim, die die Auffassung stärkten, Magdeburg sei der letzte Hort der Glaubensfreiheit. Aus diesem Grund wurde Magdeburg auch als „Herrgotts Kanzlei“ bezeichnet.
Der Stadtrat selbst veröffentlichte ebenfalls in dieser Zeit mehrere Ausschreiben, um sich gegen die Reichsacht zu wehren und sein Vorgehen gegen das Domkapitel und der andern Stiftsstände, besonders was die Einnahme der Besitzungen betraf, als Notwehr zu rechtfertigen.
Der Widerstand der Magdeburger gegen die Reichsacht von 1547 und die sich zunehmend aufheizende Stimmung in der Stadt wurde vom Domkapitel mit Argusaugen verfolgt. Das vorliegende, etwa um 1549 entstandene Verzeichnis, welches auch als „schwarze Liste“ bezeichnet wurde, wird einem Protagonisten des Domkapitels zugeschrieben. Sehr wahrscheinlich handelte es sich bei dem Verfasser um den einflussreichen Möllenvogt, Martin Doberitz, dem die Verwaltung der wichtigsten Güter des Kapitels oblag.
Die Liste erfasst alle diejenigen Personen, die aus Sicht des Domkapitels Unruhe in Magdeburg schürten. Genannt wird nahezu die gesamte Elite der Stadt, allen voran die beiden 1549 amtierenden Bürgermeister Thomas (von) Keller und Georg Gericke. Unter den 44 genannten Personen waren darüber hinaus allein 15 Ratsherren, der Stadtsyndikus Dr. Levin von Emden, zwei Stadtschreiber, der Marktmeister und Vertreter aus den wichtigsten Innungen der Stadt, nämlich vor allem die einflussreichen Kaufleute.
Die Ratsverfassung Magdeburgs sah vor, dass der regierende Rat aus zwölf Personen bestand. Zwei Vertreter kamen dabei aus der Bürgerschaft und ganze zehn Vertreter wurden aus dem Kreis der Innungsmeister aus den größeren und kleineren Zünften der Stadt gestellt. Die größten Innungen stellten die Gewandschneider, Krämer (Kaufleute), Kürschner, Leinwandschneider und Schuhmacher dar; die kleineren waren u. a. die Bäcker, Schmiede und Brauer. Von diesen zwölf Ratsherren wurden wiederum zwei Bürgermeister gewählt, die die Stadt nach außen hin präsentieren sollten. Während des 16. Jahrhunderts wurde der Rat von nur wenigen Familien geprägt, nämlich durch die (von) Alemann, Rhode, von Emden, (von) Keller, Storm und Gericke (später: von Guericke). Diese führenden Geschlechter tauchen auch in der Aufzählung des Domkapitels auf. Der als erster genannte Heine Alemann war einer der bekanntesten Magdeburger seiner Zeit. Er hatte von 1527 bis 1542 und von 1545 bis 1554 den Posten des ersten bzw. zweiten Bürgermeisters inne und konnte damit über einen sehr langen Zeitraum die Geschicke Magdeburgs lenken. Allen Aufgezählten war gemein, dass sie zu dieser Zeit prägenden Einfluss auf die Geschehnisse in der Stadt und auf die Bürgerschaft besaßen.
Die „schwarze Liste“ führt Hintermänner und Akteure auf, die explizit gegen das Domkapitel aktiv geworden waren, wie etwa „Frantz Hecker“, der „den Höfen und Gütern der Domherren einen nicht geringen Schaden zugefügt“ hatte. Das Ziel eines solches Verzeichnisses konnte es nur sein, Vorbereitungen für den Fall eines kaiserlichen Sieges zu treffen. Dann hätte das altgläubige Domkapitel die Liste als beweiskräftigen Beleg in Gerichtsverfahren gegen die evangelischen Anführer der Stadt vorlegen können.