Reiner Groß/Manfred Kobuch/Ernst Müller (Red.), Martin Luther 1483-1546. Dokumente seines Lebens und Wirkens. Weimar 1983, Nr. 222, S. 391-392 [Edition der mittleren Textreihe, die sich auf die zeitgenössischen Ereignisse bezieht].
Literature:
Johannes Herrmann, Armenbibel als „Schmähgemälde“ im Schmalkaldischen Krieg, in: Luther-Jahrbuch 32, 1965, S. 67-73.
Reiner Groß/Manfred Kobuch/Ernst Müller (Red.), Martin Luther 1483-1546. Dokumente seines Lebens und Wirkens. Weimar 1983, Nr. 222, S. 286-288.
Weiterführende Literatur zur zeitgenössischen Darstellung von Herzog Moritz: Gabriele Haug-Moritz, Judas und Gotteskrieger. Kurfürst Moritz, die Kriege im Reich der Reformationszeit und die "neuen" Medien, in: Karlheinz Blaschke (Hrsg.), Moritz von Sachsen - Ein Fürst der Reformationszeit zwischen Territorium und Reich. Internationales wissenschaftliches Kolloquium vom 26. bis 28. Juni 2003 in Freiberg (Sachsen). Stuttgart 2007, S. 235-259.
Note:
Vgl. zur Datierung Reiner Groß/Manfred Kobuch/Ernst Müller (Red.), Martin Luther 1483-1546. Dokumente seines Lebens und Wirkens. Weimar 1983, S. 286. Hier wird des Weiteren Magdeburg als möglicher Ausstellungsort vermutet.
Historical Placement:
Im Jahr 1530 kamen die Reichsstände des Heiligen Römischen Reiches in Augsburg zusammen. Auf dem von Kaiser Karl V. hierher einberufenen Reichstag sollte unter anderem auch über die Religionsfrage, also über die Uneinigkeiten zwischen Altgläubigen und Protestanten, verhandelt werden. Eine Einigung wurde jedoch nicht erzielt und der Beschluss des Reichstages sollte letztlich nur die altgläubige Kirchenverfassung und Lehre unter Schutz stellen. Da die protestantischen Stände nun nicht mehr mit einer baldigen Anerkennung ihres Glaubens auf Reichsebene rechnen und ein gewaltsames Vorgehen des Kaisers gegen sie nicht ausschließen konnten, schlossen einige protestantische Fürsten und Städte 1531 ein Verteidigungsbündnis, den Schmalkaldischen Bund. Die Bündnispartner, an deren Spitze die beiden Mächte Kursachsen und Hessen standen, versprachen sich gegenseitigen Beistand im Falle eines militärischen Angriffs in Glaubenssachen.
Fürs Erste konnten die protestantischen Fürsten und Städte ihre Position gegenüber dem Kaiser behaupten. Dieser musste, da er finanzielle und militärische Unterstützung von allen Reichsständen zur Abwehr der Türken benötigte, konfessionelle Zugeständnisse machen und konnte nicht gegen den Bund vorgehen. Zudem war er in Auseinandersetzungen mit Frankreich verwickelt. Nach einem Waffenstillstand mit den Türken und einem Friedensvertrag mit Frankreich konnte sich Karl V. seit 1544 jedoch wieder stärker den innenpolitischen Fragen im Reich und damit auch der Religionsfrage zuwenden. Nachdem der Kaiser zuvor bereits Kriegsvorbereitungen getroffen hatte, verhängte er 1546 die Reichsacht über Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen, die beiden Hauptpersonen des Schmalkaldischen Bundes. Als Begründung für die Verhängung der Acht wurde die vorherige Vertreibung und Gefangennahme Herzog Heinrichs von Braunschweig-Wolfenbüttel durch den Schmalkaldischen Bund herangezogen. Die Vollstreckung der Acht diente als offizieller Grund für den folgenden Schmalkaldischen Krieg.
Obwohl dieser ebenfalls dem protestantischen Glauben anhing, hatte Kaiser Karl V. auch Johann Friedrichs Vetter Herzog Moritz von Sachsen als Koalitionspartner gewinnen können. Im Gegenzug hatte er diesem die Kurwürde, die damals noch Johann Friedrich innehatte, versprochen. Die militärischen Auseinandersetzungen mit den Mitgliedern des Schmalkaldischen Bundes konnte der Kaiser im April 1547 mit der Schlacht bei Mühlberg schließlich für sich entscheiden. Herzog Moritz erhielt die Kurwürde und einen großen Teil der Gebiete seines gefangen genommenen Vetters Johann Friedrich. Für seine Haltung, die ihm vonseiten etlicher als Verrat am Evangelium ausgelegt wurde, wurde Moritz in der Folge in zahlreichen Propagandaschriften kritisiert.
Auch das überlieferte „Schmähgemälde“ kommentiert Moritz‘ Rolle während des Schmalkaldischen Krieges. Nahezu vollständig sind 21 kolorierte Zeichnungen mit erläuternden, gereimten Texten, zumindest bruchstückhaft drei weitere erhalten. Die Bilder und Texte einer Spalte sind jeweils gemeinsam zu betrachten: Auf einen Text und ein dazugehöriges Bild mit einem alttestamentlichen Thema folgen in jeder Spalte jeweils ein Text und ein zugehöriges Bild mit einem zeitgeschichtlichen Bezug. Zuletzt findet sich stets ein Bild mit einem erläuternden Text zu einer Begebenheit aus dem Neuen Testament. So wird z. B. in der zweiten Spalte Lot von einem Engel gemeinsam mit seinen Töchtern und seiner Frau aus der Stadt Sodom geführt, die Gott aufgrund ihrer Sünden mit einem Regen aus Feuer und Schwefel strafen und vernichten wird. Der sächsische Kurfürst Johann Friedrich ist gleichermaßen gezwungen, sein Land zu verlassen, um in den Krieg zu ziehen. Und auch Josef muss aufbrechen und mit Maria und Jesus vor König Herodes nach Ägypten fliehen. Der Aufbau des „Schmähgemäldes“ erinnert an spätmittelalterliche sogenannte Armenbibeln, die jeweils eine Szene aus dem Leben Christi zwei alttestamentlichen Motiven gegenüberstellten und wohl vor allem an die des Lesens Unkundigen gerichtet waren.
Deutlich bezieht der anonyme Verfasser Stellung für die protestantische Seite und für Kurfürst Johann Friedrich. So werden die Ereignisse um den sächsischen Kurfürsten mit dem Leidensweg Christi verknüpft. Ein Bild zeigt z. B. Christus im Garten Gethsemane ins Gebet versunken. Das zugehörige zeitgeschichtliche Motiv präsentiert Johann Friedrich, der im Feldlager dem Gottesdienst lauscht. Im Hintergrund sieht man jeweils die Feinde – Judas mit den Soldaten bzw. das feindliche Heer – nahen bzw. angreifen. Im Gegensatz dazu wird der Papst – indem er unter anderem hoch zu Ross, statt demütig wie Christus auf einem Esel reitend dargestellt wird – als Gegenfigur zu Christus entworfen. Herzog Moritz schließlich wird die Rolle des Verräters zugewiesen. So sieht man ihn, wie er Johann Friedrich für die Kurwürde verrät, gleichgesetzt mit Judas, der für 30 Silberlinge den Verrat an Christus begeht. Diese Gleichsetzung Johann Friedrichs mit Christus und des Herzogs Moritz mit Judas findet sich auch in weiteren zeitgenössischen Propagandaschriften.