ThHStAW, EGA, Reg. O 213: Zeichnungen des Wittenberger Heiltums, der Reliquiensammlung Friedrichs des Weisen, aus der Werkstatt von Lucas Cranach d. Ä. (1509)
Urkundenbuch des Klosters Pforte. 2. Teil. 2. Halbbd. (1501 bis 1543). Hrsg. v. der Historischen Kommission für die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt. Bearb. v. Paul Böhme. (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, Bd. 34.) Halle a. S. 1915, Nr. 562, S. 410 (Regest mit Teiledition).
Paul Flemming, Zur Geschichte der Reliquiensammlung der Wittenberger Schloßkirche unter Friedrich dem Weisen, in: Zeitschrift des Vereins für Kirchengeschichte der Provinz Sachsen 14, 1917, S. 87-92 (Edition des Briefs: S. 89f.).
Literature:
Fritz Bellmann/Marie-Luise Harksen/Roland Werner (Bearb.), Die Denkmale der Lutherstadt Wittenberg. Weimar 1979, S. 257-267.
Dagmar Blaha, Religiosität und Reliquienverehrung, in: Hans Hoffmeister/Volker Wahl (Hrsg.), Die Wettiner in Thüringen. Geschichte und Kultur in Deutschlands Mitte. (Schriften des Thüringischen Hauptstaatsarchivs Weimar, Nr. 2.) Arnstadt/Weimar 1999, S. 118-125.
Livia Cárdenas, Friedrich der Weise und das Wittenberger Heiltumsbuch. Mediale Repräsentation zwischen Mittelalter und Neuzeit. Berlin 2002.
Paul Kalkoff, Ablass und Reliquienverehrung an der Schlosskirche zu Wittenberg unter Friedrich dem Weisen. Gotha 1907.
Ingetraut Ludolphy, Friedrich der Weise. Kurfürst von Sachsen 1463 – 1525. Neudruck der Erstausgabe 1984. Leipzig 2006, S. 355-367.
Note:
Siegel könnte für Ausfertigung sprechen – jedoch fehlt die Unterschrift Friedrich des Weisen; außerdem finden sich Streichungen und Einfügungen. Wahrscheinlich wurde der Brief als Muster für ein gleiches Schreiben an den Abt Benedikt von Zinna benutzt und dafür auch das Datum geändert (Weimar, 4. Juni 1514) (vgl. Flemming, S. 90).
Historical Placement:
Im Spätmittelalter waren Wallfahrten und Heiligenverehrung üblich. Da man sich Gott überwiegend als unnahbaren, strengen und richtenden Gott vorstellte, war die Verehrung von Heiligen als Mittler zwischen Gott und Mensch und als Fürsprecher vor Gott besonders ausgeprägt. Damit hängt auch der Reliquienkult zusammen. Reliquien sind Gebeine, Kleider, sonstige Überreste von Heiligen und Gegenstände, die sie berührt haben. Durch das andächtige Ansehen, das Berühren und die Verehrung der Reliquien wollte man einerseits für das eigene Seelenheil sorgen, andererseits Schutz und Hilfe für das tägliche Leben erbitten.
Bei Fürsten war der Erwerb von „Heiltümern“ (Reliquiensammlungen) verbreitet. Der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise (1463-1525) erwarb im Laufe seines Lebens eine der größten Sammlungen der damaligen Zeit, womit auch das Erlangen zahlreicher Ablässe verbunden war. 1507 konnte Friedrich erreichen, dass Papst Julius II. alle Bischöfe und Prälaten des Heiligen Römischen Reichs aufforderte, Friedrich Reliquien für seine Sammlung zu überlassen. Ähnlich wie im vorliegenden Schreiben an den Abt des Klosters Pforta bat Friedrich viele Fürsten und Äbte, Reliquien an ihn abzugeben. Er erwarb diese durch Schenkungen, Tausch, Teilung von Reliquien, materielle Gegenleistungen und sonstige Gefälligkeiten. Besonders Jakob Vogt, Friedrichs Beichtvater, der im Brief erwähnt wird, war mit der Sammlung von Reliquien betraut. Da die Klosterkirche in Pforta sehr viele Reliquien besaß, ist anzunehmen, dass der dortige Abt der Bitte des Kurfürsten entsprach.
Bedeutende Reliquien in Friedrichs Heiltum waren etwa ein Dorn von Jesu Dornenkrone und ein Glas der heiligen Elisabeth von Thüringen (1207-1231). Die Sammlung wurde aufbewahrt in der Wittenberger Schlosskirche. Die Reliquien lagen etwa in Kapseln, Schatullen, Gläsern, Kelchen, Kreuzen, Monstranzen, Tafeln, Figuren oder Altären. Im Jahr 1513 umfasste das Heiltum über 5.000, 1518 bereits über 17.000 Teilchen von Heiligen. Zweimal im Jahr, am zweiten Montag nach Ostern und an Allerheiligen, wurden die Reliquien öffentlich ausgestellt.
Der Hauptgrund für die außerordentliche Sammelleidenschaft Friedrichs des Weisen lag in seiner ausgeprägten Frömmigkeit. Diese zeigt sich auch an seiner 1493 unternommenen Pilgerfahrt ins Heilige Land. Als fürsorglicher Landesvater war er zudem um das Seelenheil seiner Untertanen besorgt. Dass die Sammlung gerade in Wittenberg lagerte, hing mit dem Ausbau der neuen (Neben-)Residenz Wittenberg zusammen. Diesem Anliegen dienten auch der Neubau der Wittenberger Schlosskirche und die Gründung der Universität (1502). Daneben trugen die zum Wittenberger Heiltum pilgernden Menschen zum Ansehen und wirtschaftlichen Aufschwung der Residenz – und damit des Fürstentums – bei.
Unter dem Einfluss der Reformation wurde das Wittenberger Heiltum ab 1522 nicht mehr zur Schau gestellt. Da der Mensch nach Luthers Theologie allein durch Christi Sühnetod am Kreuz vor Gott gerechtfertigt wird, waren keine Heiligen als Vermittler mehr nötig. Der Mensch kann sein Seelenheil dementsprechend nicht durch Heiligenverehrung, Ablässe und gute Werke erlangen, sondern allein durch Gottes Gnade, die bedingungslose Annahme des Sünders durch Gott im Glauben.
Heute ist von der Sammlung nur noch das Glas der heiligen Elisabeth erhalten sowie illustrierte Kataloge und Register des Wittenberger Heiltums.
Translation:
(Translated by Claudia Jones)
Request from Elector Frederick III of Saxony to the abbot of the Pforta monastery to transfer relics from the monastery collection to his personal collection; Zeitz, April 26, 1514.
Pilgrimages and the veneration of saints were common in the late Middle Ages. Since God was conceived of primarily as unapproachable, strict, and judgmental, the veneration of saints as mediators between God and man and as advocates before God was particularly widespread. The cult of relics is related to this practice. Relics are bones, clothes, and remains of saints, and objects they have touched. People hoped to secure their own salvation and sought protection and assistance in their daily lives by spending time in prayerful contemplation before the relics as well as touching and venerating them.
The acquisition of relics was common among sovereigns. Over the course of his life, the Saxon Elector Frederick the Wise (1463-1525) built up one of the largest collections of his time, which also enabled him to dispense several indulgences. In 1507, Frederick was able to persuade the Pope Julius II to ask all bishops and prelates of the Holy Roman Empire to relinquish relics to be added to Frederick’s collection. As in the present letter to the abbot of Pforta monastery, Frederick asked many sovereigns and abbots to give him relics. He acquired these through donations, exchange, the division of relics, material compensation, and other favors. Jacob Vogt, Frederick’s confessor, who is mentioned in the letter, in particular was entrusted with collecting relics. Since the monastery church in Pforta owned a large number of relics, it can be assumed that the local abbot complied with the request of the Elector.
Important relics in Frederick’s collection included a thorn from Jesus’ crown of thorns and a glass previously owned by St. Elizabeth of Thuringia (1207-1231). The collection was kept at the “castle church” in Wittenberg. The relics were stored in capsules, caskets, glasses, chalices, crosses, monstrances, tablets, figurines, and altars. Comprising over 5,000 objects of the saints in 1513, the collection had already grown to more than 17,000 by 1518. The relics were exhibited publicly twice a year, on the second Monday after Easter and again on All Saints’ Day.
The main reason behind Frederick the Wise’s extraordinary passion for collecting was his marked piety which is also reflected in his 1493 pilgrimage to the Holy Land. As a caring sovereign, he was also concerned with the spiritual welfare of his subjects. That the collection was stored in Wittenberg was due to the development of the new (secondary) electoral residence in Wittenberg. The construction of the castle church in Wittenberg and the establishment of the university (1502) also supported this objective. The people pilgrimaging to the Wittenberg collection of relics contributed to the prestige and economic recovery of the Residence – and thus the principality.
Under the influence of the Reformation, the Wittenberg collection of relics was no longer put on display after 1522. Since, according to Luther’s theology, man is justified before God through Christ’s atoning death on the cross alone, saints were no longer needed as mediators. Thus, man could not attain salvation through the veneration of saints, indulgences, and good deeds, but only by God’s grace, the unconditional acceptance of the sinner by God in faith.
All that remains of the Wittenberg collection of relics today are the glass of St. Elizabeth and a number of illustrated catalogs and registers.