Philipp Melanchthons „Summa“ und die lateinische Originalfassung mit dem Namen „Epitome“ waren Bestseller. Die lateinische Version erschien 1524 in vier Drucken, die deutschen Übersetzungen 1524 und 1525 in je drei Drucken, insgesamt also 11 Ausgaben in nur zwei Jahren. Dieses Interesse verdankt sie sowohl dem Inhalt als auch dem Adressaten, dem sie zugeeignet ist: Landgraf Philipp von Hessen. Die Schrift hatte deshalb sowohl theologisches als auch politisches Gewicht. Was es mit der Widmung an den Landgrafen auf sich hat, deutet Melanchthon nur beiläufig gegen Ende an (Bl. C 3r): „[...] und Euer fürstliche Gnade mich geheißen hat, ich solle etwas darüber schreiben, ob auch derjenige eine Sünde begeht, der das Altarsakrament nicht nimmt.“ Diese oder andere Fragen stellte der Landgraf bei einem zufälligen Zusammentreffen mit Melanchthon im Frühjahr 1524 auf der Landstraße bei Frankfurt. Die Reisegruppen des Fürsten und der Professors waren sich begegnet, und Philipp versuchte Melanchthon zu bewegen, ihn bis zu seinem Nachtquartier zu begleiten, um ihm dort einige Fragen zu beantworten. Melanchthon entzog sich aber dieser Bitte des Landgrafen, der zu diesem Zeitpunkt noch im Ruf stand, ein Reformationsgegner zu sein, und gab dafür die Zusage, die Fragen schriftlich zu beantworten. Doch erst als man in Wittenberg hörte, dass Philipp im Sommer 1524 die evangelische Predigt in Hessen freigegeben hatte, ja die neue Lehre zu begünstigen begann, löste Melanchthon sein Versprechen ein. Diese Zusammenhänge legen jedenfalls die erhaltenen Nachrichten über die Entstehung der Schrift nahe. Melanchthon wählte nun auch nicht mehr das persönliche Schreiben, sondern das Medium Flugschrift, das seine Gedanken ebenso bekannt machte wie das Interesse, das der Landgraf daran zeigte, und ihn damit stärker in die Pflicht nahm. Alleine schon das Titelblatt, das den Namen des Fürsten werbewirksam mit der neuen Lehre verband, musste also das Interesse der Käufer wecken.
Auch der Text zerfällt in zwei deutlich unterscheidbare Teile, einen eher politisch gehaltenen Rahmentext und eine theologische Darlegung. Er wird eingeleitet mit der Beteuerung, dass es sich bei den öffentlichen Auseinandersetzungen nicht um Spiegelfechtereien, sondern um Fragen von großer theologischer Tragweite handle – angesichts der zahlreichen zeitgenössischen „Mönchszänkereien“ und Kontroversen einer falsch verstandenen Scholastik ein nicht ganz unberechtigter Hinweis. Im Zentrum der Erörterung stehen dann zwei Problemkreise, untergliedert in drei Teilfragen: (1.1) Das Wesen des Evangeliums und des evangelischen Glaubens und die Frage nach dem Verhältnis von Gottesfurcht und dem Vertrauen in die Gnade Gottes (iustitia humana). (1.2) Die davon gänzlich zu unterscheidende menschliche Gerechtigkeit (iustitia humana), die denen, die zum Glauben nicht berufen sind, durch äußeren Zwang Grenzen setzt. Melanchthon betont hier ausdrücklich, dass es ein Missverständnis sei, aus dem Evangelium ein ungezwungenes („wildes“) Leben abzuleiten. Dahinter steht Luthers Lehre von der „Freiheit des Christenmenschen“, die als innere Freiheit, nicht als Freiheit von äußerer Herrschaft zu verstehen ist. (2) Der Umgang mit Traditionen bzw. altkirchlichen Regelungen. Melanchthon unterscheidet hier solche, die seiner Meinung nach unnütz, aber nicht weiter von Belang sind und deshalb eingehalten werden können, von solchen, die in seinen Augen schädlich und daher abzulehnen sind. Diese stark theologischen Ausführungen wurden in der Transkription ausgelassen.
Mit dem rahmenden Anfangs- und Schlussteil nimmt Melanchthon eine gesellschaftliche Positionsbestimmung der Reformation vor. Die Erörterungen kreisen um die Frage nach den sozialrevolutionären Implikationen der neuen Lehre, nach ihrem anarchischen Potential, das sie zu einer Gefahr für die etablierten Gewalten machte. Man kann annehmen, und Melanchthon musste annehmen, dass diese Fragen den Landgrafen besonders interessierten. Er hatte die neue Lehre bislang vor allem in Gestalt Franz von Sickingens kennengelernt, der unter dem Deckmantel der Reformation Fehden und Raubkriege gegen die umliegenden Territorien führte, die den jungen Landesherrn auf seine erste militärische und politische Bewährungsprobe gestellt hatten. Man befand sich nun ein Jahr vor dem Ausbruch des Bauernkriegs. In Thüringen predigte Thomas Müntzer sozialrevolutionär, im Stift Hersfeld hatte sich der allgemeine Pfaffenhass bereits gewaltsam entladen, und auch andernorts waren Spannungen mit Händen zu greifen.
Angesichts dessen konstatiert Melanchthon erstaunlich nüchtern, dass viele die neue Lehre nur aus Opportunität, Geltungsbedürfnis oder Neuerungssucht angenommen hätten, und nur ein kleiner Teil um des Evangeliums willen. „Evangelium“ wird von ihm konsequent als Synonym für Luthers Lehre gebraucht. Wer also nicht für Luther ist, so die rhetorisch versierte Argumentation des Gelehrten, ist gegen das Evangelium, und die Macht des Evangeliums lässt sich nicht aufhalten. Das evangelische Selbstverständnis bringt auch der Titel zum Ausdruck, der betont, dass die „neue“ Lehre eigentlich eine erneuerte alte sei („erneute leer“, im Lateinischen: „doctrinae renovatae“), die nur von ihren Gegnern als Neuerung diffamiert werde. In Anbetracht der Anfeindungen von den Altgläubigen und der Missverständnisse derer, die auf einen, zu diesem Zeitpunkt immerhin denkbaren totalen Umsturz aus waren, kommt es nun darauf an, dass man „das Evangelium“, also die Lehre Luthers, in der richtigen Weise unterstützt. Nach den theologischen Erörterungen über die Notwendigkeit einer weltlichen Gerechtigkeitsordnung im Mittelteil wird dieser Gedanke im Schlussteil weiter ausgeführt. Die Rede ist nun abwechselnd von dem Landgrafen, der persönlich angesprochen wird, und „den Fürsten“. Ihnen vertraut Melanchthon die Anliegen der Reformation an: Sie sollen Luthers Lehre verteidigen, sowohl gegen ihre altkirchlichen Widersacher, als auch gegen diejenigen, die sie in falscher Weise auslegen. Sie sollen dem Volk nicht zu viel durchgehen lassen, sondern Regeln setzen, sollen sich mit guten Ratgebern umgeben, für gute Predigten und Prediger sorgen, und die Ausbildung der Jugend nicht vernachlässigen. Denn eine wohlverstandene evangelische Predigt ist Predigt für den Frieden und nicht Predigt zum Aufruhr. Die Schrift endet mit dem eindrücklichen Bild, der Landgraf möge wählen, ob er lieber Josaphat, Religionsförderer, oder Pharao, Religionsbedrücker, sein wolle, er möge Respekt vor den Gewissen zeigen (diese Mahnung wurde von Landgraf Philipp zeitlebens befolgt) und er möge diejenigen nicht verfolgen, die aus Gewissensgründen an die Papstkirche und ihre Einrichtungen rührten.
Gerade die letzte Aufforderung zeigt, dass sich Melanchthon aus der Ferne Landgraf Philipp als einen Tastenden vorstellte, der gewisse Sympathien für die neue Lehre hegte, aber sich noch nicht eindeutig auf ihre Seite gestellt hatte und vorerst noch von ihren, auch von den Reformatoren ungewollten Begleiterscheinungen abgeschreckt wurde. Wieviel das mit den Fragen zu tun hatte, die Philipp ein halbes Jahr vorher gestellt hatte und von denen es heißt, dass sie theologisch wenig versiert gewesen seien, ist kaum zu entscheiden. Der Einzelfrage nach dem Sakramentempfang maß Melanchthon jedenfalls erstaunlich wenig Bedeutung bei; stattdessen lenkte er den Blick auf das große Ganze. Mit seiner Schrift schlug er einen werbenden und mahnenden Ton an, versuchte Vorbehalte des Fürsten gegenüber der reformatorischen Bewegung zu zerstreuen und ihn für die evangelische Sache in Dienst zu nehmen, indem er ihm die Verantwortung des Landesfürsten für die Verkündigung des Evangeliums vor Augen stellte. Damit wies er auf einen zu diesem Zeitpunkt noch schmalen Korridor zwischen alter Kirche und den „falschen Lutherischen“, der von Philipp und von vielen anderen Fürsten beschritten werden konnte und dann auch beschritten wurde. Hierin liegt die Bedeutung der „Epitome“ oder „Summa“ (der Landgraf las wohl eher die deutsche „Summa“, denn er verstand nur schlecht Latein): Sie sollte nicht nur eine dauerhafte Verbindung zwischen Landgraf Philipp und den Wittenberger Reformatoren begründen, sondern auch zur Anbindung der Reformation an den frühneuzeitlichen Fürstenstaat beitragen.