Am 17. Oktober 1534 bestätigte Martin Luther Landgraf Philipp den Empfang eines Briefes, mit dem ihn der Landgraf gebeten habe, die Sache des Sakraments zu bedenken. Am 25. September bemerkte der Landgraf selbst gegenüber dem Straßburger Stettmeister (Bürgermeister) Jakob Sturm, er habe Luther und Melanchthon geschrieben, um sie in „jener“ Sache milde zu stimmen. Das Schreiben an Melanchthon hat sich auch erhalten. Wie das vorliegende an Luther ist es ein undatiertes Kanzleikonzept. Aus dem ganzen Zusammenhang ergibt sich jedoch, dass beide Schreiben ungefähr im Zeitraum zwischen dem 20.–25. September entstanden sein müssen.
Auch fünf Jahre nach dem Marburger Religionsgespräch hatte Landgraf Philipp seinen Plan nicht aus den Augen verloren, zwischen der (vor allem von den Reichsstädten getragenen) oberdeutschen und der (von Fürsten unterstützten) Wittenberger Reformation eine Vereinigung in der Frage des Abendmahls herbeizuführen. Während die Bedeutung des Abendmahls für beide Seiten eine, wenn nicht die zentrale Glaubensfrage war, wurde er nicht müde zu betonen, dass doch ein Bekenntnis zu Christus und ein Glaube bestehe. Im Herbst 1534 unternahm er bei Luther deshalb einen erneuten Vorstoß. Mittlerweile hatten sich einige Rahmenbedingungen geändert: 1531 war Huldrych Zwingli im zweiten Kappeler Krieg in Kappel am Albis gefallen (11. Oktober) und kurz darauf auch sein Vertrauter, der Basler Antistes Johannes Oekolampad (24. November) verstorben. Ebenfalls 1531 war mit dem Schmalkaldischen Bund das von Philipp gewünschte politische Bündnis zwischen den mitteldeutschen Territorialfürsten und den süddeutschen Reichsstädten, freilich unter Ausklammerung der Schweizer, geschlossen worden. Nach erneuten Verhärtungen und Spannungen in der Sakramentsfrage, die vor allem von Luther ausgingen, hatte Bucer mit seiner Schrift „Bericht aus der Heiligen Schrift“ (Straßburg: Matthias Apiarius, 1534; VD16 B 8896) Anfang März 1534 eine Annäherung an die lutherische Position unternommen, die als Grundlage für neue Konkordienverhandlungen dienen konnte. Und schließlich war mit dem Abschluss des Vertrags von Kaaden im Juni 1534 in Süddeutschland eine andere politische und konfessionelle Situation entstanden.
Seit 1526 hatte sich der 1519 aus seinem Land vertriebene Herzog Ulrich von Württemberg (1487–1550) am Hof des Landgrafen aufgehalten; 1529 war er deshalb auch beim Marburger Religionsgespräch anwesend. 1534 gelang den beiden Fürsten die militärische Rückeroberung Württembergs, die am 29. Juni 1534 im böhmischen Kaaden (KadaĆ) in einem Vertrag besiegelt wurde, der für die Restitution Herzog Ulrichs sorgte, aber auch dem Kaiser Zugeständnisse machte. Ausdrücklich wurden darin für Württemberg die „Sakramentierer“ (Reformierten) und Täufer verboten und damit die Konfessionsentscheidung zugunsten des Wittenberger Luthertums vorgezeichnet, das von Ulrich nun obrigkeitlich durchgesetzt wurde. Bis dahin war die konfessionelle Situation in Württemberg weitgehend offen gewesen, das Land hätte sich geopolitisch als Brücke zur Schweizer Reformation angeboten. Während Ulrichs Exil in den württembergischen Besitzungen in der Freigrafschaft Burgund (Mömpelgard / Montbéliard) hatte er Kontakte zu Johannes Oekolampad und Huldrych Zwingli unterhalten. Theologisch war das Land ebenfalls von beiden Positionen bestimmt: Auf der einen Seite von dem einflussreichen, wenn auch nicht dem Territorium angehörenden Schwäbisch Haller Reformator Johannes Brenz, den Herzog Ulrich beim Marburger Religionsgespräch kennengelernt hatte, und dem aus Heilbronn stammenden Erhard Schnepf, den er von der Marburger Universität zurück nach Württemberg holte, beides profilierte Lutheraner; und auf der anderen Seite von dem ehemaligen Benediktinermönch Ambrosius Blarer, der den Reformierten zuneigte. Am 2. August 1534 schlossen sie die Stuttgarter Konkordie, die sich in der Abendmahlfrage am Augsburger Bekenntnis orientierte. Im Hintergrund dieser Einigung hatte wiederum Bucer gestanden: Er hatte Blarer eine Kompromissformel zugesandt, die 1529 in Marburg diskutiert worden war (nämlich die „wahre und substantielle Gegenwart Christi im Abendmahl“). Sie hatte die Zustimmung Luthers, nicht aber Zwinglis gefunden. Was Zwingli in Marburg verweigert hatte, sagte Blarer in Stuttgart nun zu. Daraufhin warb Philipp Melanchthon sowohl bei Luther als auch bei Landgraf Philipp von Hessen für einen erneuten Anlauf zu einer allgemeinen Konkordie. Mit dem vorliegenden Schreiben nahm Landgraf Philipp diesen Anstoß auf und warb seinerseits bei Luther um einen Ausgleich mit den „Oberländern“. Gleichzeitig stand er mit Jakob Sturm und Martin Bucer in Straßburg und mit Melanchthon in Kontakt.
Das Schreiben des Landgrafen entwirft das Szenario, dass sich nun die Lage der oberdeutschen Reichsstädte und namentlich Bucers in Straßburg verschlechtern würde, und sie von den Altgläubigen in die Enge getrieben würden, ja Blutvergießen zu befürchten sei, und leitet daraus einen Handlungsimpuls ab. Ob es dafür Anhaltspunkte gab oder ob es sich um eine rhetorische Zuspitzung handelte, bleibe dahingestellt. Aber zweifelsohne war die reichsrechtliche Situation der oberdeutschen Reichsstädte schwieriger geworden, nachdem sich durch die Festlegung des großen Territoriums Württembergs auf das Luthertum die Gewichte zwischen Reformierten und Lutheranern in Süddeutschland verschoben hatten.
Luthers Antwort an den Landgrafen vom 17. Oktober, mit der er sein grundsätzliches Einverständnis zu erneuten Verhandlungen erklärte, bedeutete einen wichtigen Fortschritt. Ende Dezember 1534 kam es zu einem Zusammentreffen von Bucer und Melanchthon in Kassel, bei dem man sich auf eine an das Augsburger Bekenntnis anschließende Formel über das Sakramentsverständnis einigte (mit Brot und Wein werde der Leib Christus „wesentlich und wahrhaftig“ empfangen). Bucer warb daraufhin noch einmal vergeblich um die Schweizer Theologen, und nachdem sich 1535 auch die wichtige Reichsstadt Augsburg an die Wittenberger angenähert hatte, wollte man 1536 zu den entscheidenden Verhandlungen in Eisenach zusammenkommen, die dann wegen einer Erkrankung Luthers kurzfristig nach Wittenberg verlegt wurden.
Mit der hier ausgehandelten Wittenberger Konkordie wurde tatsächlich der entscheidende Durchbruch erzielt: Die Schweizer Reformierten ausgenommen, einigten sich die Lutheraner und die Vertreter der oberdeutschen Reichsstädte auf eine einheitliche Abendmahlformel, die auch unter dem sprechenden Namen „Formula Concordiae Lutheri et Buceri“ bekannt ist. Die sehr unterschiedlichen Wege, auf denen die Reformation an unterschiedlichen Orten von unterschiedlichen Personen mit unterschiedlichen Intentionen durchgesetzt und theologisch ausgeformt worden war, wurden damit zumindest im Reich und zumindest vorläufig (bis zur „Zweiten Reformation“ im Zeichen des Calvinismus) in einem Bekenntnis zusammengeführt. Die von Philipp ausgesprochenen Befürchtungen wegen der Stellung Bucers in Straßburg sollten sich allerdings später in ganz anderen Zusammenhängen bewahrheiten: Mit der Annahme des Interim geriet Bucer in Straßburg unter Druck und konnte sich dort nicht mehr länger halten: 1549 wich er deshalb nach England aus, wo er 1551 starb.