Nachdem sich Martin Bucer vom 30. Oktober bis 1. November 1538 mit den in Marburg gefangenen Täufern auseinandergesetzt hatte, reiste er weiter nach Wittenberg, um dort mit Luther zusammenzutreffen. Dabei ging es hauptsächlich um drei Anliegen: Einmal, um den Gedanken, die hessischen Täufer aus dem Gefängnis zu entlassen, damit sie im Sinne der geführten Gespräche auf ihre Anhänger im Land einwirken könnten. Bucer und Landgraf Philipp hatten sich auf dieses Vorgehen verständigt; zuvor wollte der Landgraf aber den Rat weiterer Theologen einholen. Zweites Gesprächsthema war die Frage nach der Verwendung bzw. Sicherung der Kirchengüter; ein Problem das die Mitglieder des Schmalkaldischen Bundes in diesen Jahren stark bewegte. Bucer hatte sich bereits 1537 darüber mit Luther ausgetauscht und hatte selbst eine Denkschrift verfasst; nun war er vom Straßburger Rat beauftragt worden, eine Stellungnahme Luthers zu erlangen. Schließlich ging es um einen Religionsvergleich mit dem Altgläubigen. Einig war man sich in der Haltung gegenüber den Juden. Bucer, der selbst stark antijudaistisch eingestellt war, brachte die ablehnende Haltung der Wittenberger mit nach Hessen, wo sie in die Judenordnung von 1539 eingeflossen ist.
Martin Bucer kam am 11. November in Wittenberg an und reiste am 21. wieder ab, hielt sich also zehn Tage an der Elbe auf. Am 17. November hielt er die Sonntagspredigt und fand dafür das Lob Luthers. Die Gespräche in Wittenberg verliefen in harmonischer Atmosphäre. Ihr genauer Inhalt lässt sich nur indirekt erschließen, da sowohl die Briefe des Straßburger Rates als auch die des Landgrafen von Hessen – zwei werden im vorliegenden Schreiben genannt, ein Empfehlungsschreiben für Bucer und ein weiteres – verloren sind, und Luther auch dem Straßburger Rat wegen der Kirchengüter nur schmallippig antwortete und wiederum auf den mündlichen Vortrag Bucers verwies. Auch in seinem Schreiben an den Landgrafenbezog er sich auf den weiteren mündlichen Bericht Bucers. Das wenige, das er darüber hinaus direkt anspricht, ist ein wichtiges Zeugnis sowohl über die Verhandlungen mit Bucer als auch für seine Stellung zu den Täufern. Sicherlich nicht zufällig ist das Schreiben auf den Elisabethtag, den Gedenktag von Philipps großer Vorfahrin datiert.
Bucer war in den Anfangsjahren der Reformation stark von Luther geprägt worden und blieb es, wenngleich er sich im Abendmahlstreit 1524 von Luthers Ansichten entfernte und sich ihm erst langsam, in der Vorbereitung der Wittenberger Konkordie von 1536 wieder annäherte. Um der Sache willen war er immer wieder bemüht, über Luthers aufbrausendes Temperament und seine häufig scharfen Äußerungen hinwegzugehen. Von dieser Annäherung war auch die Zusammenkunft 1538 getragen, aber schon im Dezember klagte Luther erneut, dass Bucer arrogant sei, und als Bucer ihn ein Jahr später im Auftrag des Landgrafen zur Abfassung des „Wittenberger Beichtrats“ veranlasste, trübte sich das Verhältnis weiter. Für Luther gab es nur die eine Glaubenswahrheit, die in der Schrift offenbart ist und deshalb nicht verhandelt werden kann. Die irenische, auf Ausgleich bedachte, manchmal auch zwiespältige oder gar zwielichtige Vermittlerrolle, die Bucer einnahm, um die Parteien zusammenzubringen, war ihm deshalb suspekt. Das galt auch hinsichtlich der Haltung zu den Täufern. Luther selbst hatte seine Einstellung gegenüber den „Irrlehrern“ unter dem Eindruck des Bauernkriegs und des sich verfestigenden konfessionellen Fürstenstaats geändert: Während er noch 1527/28 dafür eingetreten war, sie nicht so grausam zu verfolgen, war er seit 1530 der Meinung, dass sie als Gotteslästerer bestraft werden müssten. 1536 verfasste er zusammen mit Bugenhagen, Cruciger und Melanchthon für Landgraf Philipp von Hessen ein Gutachten mit dem sprechenden Titel: „Ob Christliche Fürsten schuldig sind, der Widerteuffer unchristlichen Sect mit leiblicher straffe und mit dem schwert zu wehren?“ Die (nur rhetorisch) aufgeworfene Frage wird mit dem Argument bejaht, dass sich die Täufer sowohl weltlicher (Widersetzlichkeit gegenüber der Obrigkeit, Aufruhr), als auch geistlicher Vergehen (falsche Lehren, Gotteslästerung) schuldig machten, und die Obrigkeit deshalb gegen sie einschreiten müsse.
Zwei Jahre später urteilte er nun zwar etwas milder – von der Bestrafung an Leib und Leben war keine Rede mehr –, in der Sache aber eindeutig: Sein Ratschlag an den Landgrafen lautete, die Täufer nicht zu gewinnen, sondern zu vertreiben. Der Landgraf müsse auch keine Bedenken haben, dass sie dann einem anderen Landesherrn zur Last fielen. Denn einjeder kehre vor seiner eigenen Tür! Der Maßstab, an dem Luther die Täufer maß, war Thomas Müntzer, oder wie im vorliegenden Fall, das Täuferreich von Münster: Ihre Lehren führten seiner Meinung nach zwangsläufig zu Aufruhr und zur Errichtung einer Gewalt- und Schreckensherrschaft und rührten daher vom Teufel selbst her. Überhaupt war Luther in seinem Schreiben mit Teufelsvergleichen schnell bei der Hand: Die Täufer hätten zwar einen schönen äußeren Schein, aber einen bösen Kern, so wie Luzifer selbst sich einst das liebliche Äußere eines lichttragenden Engels (Luci-fer = Lichtträger) gegeben habe. Bucer war mit seinen Vorstellungen zum Umgang mit den hessischen Täufern bei Luther also nicht durchgedrungen.
Der Landgraf gab beiden Stimmen Raum: Er ging auf die Täufer zu, indem er ihre Anliegen, soweit sie ihm berechtigt erschienen, aufnahm und drohte mit Vertreibung, sofern sie sich darauf nicht einließen. Gemessen sowohl an den Aussagen Luthers als auch an den noch weit schärferen reichsrechtlichen Rahmenbedingungen, war dieses Vorgehen äußerst milde. Es war nicht von der unbedingten Durchsetzung einer Glaubensorthodoxie bestimmt, sondern von dem landesherrlichen Interesse am Erhalt und der konfessionellen Durchdringung der Untertanenschaft.