Walther Köhler (Hrsg.), Zwinglis Briefwechsel. Gesammelt, erläutert und [...] bearbeitet von Emil Egli. Bd. 5: Die Briefe von Anfang Juli 1530 bis Oktober 1531 (Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, Bd. 11; Corpus Reformatorum, Bd. 98.) Leipzig 1935, Nr. 1115a.
Horst Buszello, ...das solicher großer hunger und not was in dem lande allenthalb, das die welt nach verzaget ist worden... Ergebnisse einer Datenbank zu Mangeljahren und Hungersnöten am Ober- und Hochrhein in vorindustrieller Zeit (1350–1850). In: Alemannisches Jahrbuch 59/60, 2011/12, S. 113–145, hier S. 120 f., 131, 138.
René Hauswirth, Landgraf Philipp von Hessen und Zwingli. Voraussetzungen und Geschichte der politischen Beziehungen zwischen Hessen, Straßburg, Konstanz, Ulrich von Württemberg und reformierten Eidgenossen 1526-1531. (Schriften zur Kirchen- und Rechtsgeschichte, Bd. 35.) Tübingen/Basel 1968, Anhang Nr. 2, S. 261 f. und Exkurs I, S. 262-264.
Lucienne Hubler, Saint-Julien, Frieden von. In: Historisches Lexikon der Schweiz, Bd. 10: Pro – Schafroth, S. 624. Basel 2011 <online: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D17176.php >
Max Lenz, Zwingli und Landgraf Philipp. In: Zeitschrift für Kirchengeschichte 3, 1879, S. 28–62, 220–274, 429–463.
Federal State:
Hessen
Territorial:
Landgrafschaft Hessen
Note:
Vgl. Zwinglis Schreiben vom 12. März 1530 (zur Verwendung des Chiffrenalphabets) und 30. September.
Historical Placement:
Huldrych Zwinglis Brief ist „in Eile“ in Zürich abgefasst und diese Eile merkt man ihm deutlich an, denn zweimal, einmal nach der Datierung und einmal nach der Unterschrift, fügt er noch weitere Mitteilungen an, die er zuvor vergessen hatte. Er reagiert damit unmittelbar auf einen Brief des Landgrafen, der ihm am selben Tag (15. Oktober) zugegangen war. Vermutlich wartete der Bote noch, um die Antwort gleich wieder nach Hessen zurückzutragen. In dem am 10. Oktober verfassten Brief an „unsern lieben, besonderen Ulrich Zwingell“ hatte Landgraf Philipp verschiedene politischen Agenden vorgetragen, von den oberdeutschen Reichsstädten bis hin zu England, ihn zur Geheimhaltung gemahnt und noch einmal zur Verwendung des Chiffren-Alphabets angehalten: „Wenn Ihr mir schreibt, so schreibt mir durch die Zeichen [und] zu meinen eigenen Händen.“
Zwinglis Brief ist ganz von der Stimmung nach den Ereignissen des Augsburger Reichstags getragen (siehe den Brief vom 30. September), die eine Bündelung der evangelischen Mächte und eine Konfrontation mit den Altgläubigen nahelegte. Das Aufrechterhalten der Kommunikation und die Versicherung der gegenseitigen Zuverlässigkeit waren in dieser Situation wichtiger als die eigentlichen Inhalte: Noch einmal hob Zwingli deshalb darauf ab, dass Zürich, Basel und die anderen verbündeten Eidgenossen mit Wort und Tat bereit stünden, insbesondere auch in der Sache der geplanten Rückeroberung des Herzogtums Württemberg. Philipp möge bei Kurfürst Johann dem Beständigen werben, dass er die laufenden Verhandlungen über den hessisch-straßburgisch-eidgenössischen Beistandsvertrag gutheiße. Seit dem Speyrer Reichstag war der Kurfürst von Sachsen zusammen mit dem Landgrafen zum entscheidenden Organisator der evangelischen Bündnispolitik geworden, beide zählten kurze Zeit später auch zu den Köpfen des Schmalkaldischen Bundes (Bündnisvertrag vom 27. Februar 1531). Gleichzeitig unternimmt Zwingli einen Vorstoß, um zu einem Dialog, wenigstens zu einer Art Stillhalteabkommen mit Luther zu gelangen. Der Landgraf möge sich dafür einsetzen, dass Luther über die Verhandlungen unterrichtet werde und sich zum Frieden (Zwingli sah den Unfrieden vor allem bei den Wittenbergern) bewegen lasse, so wie auch Bucer die notwendige Einsicht gezeigt hatte. Der hier gelobte Bucer versuchte in diesen Monaten intensiv, zwischen den theologischen Fronten zu vermitteln und für seinen eigenen Abendmahlsbegriff als möglichen Konsens zu werben. Tatsächlich sollte die von ihm noch einmal überarbeitete „Confessio Tetrapolitana“ die Anerkennung der Wittenberger finden. Es war dann aber Zwingli, der sich jeder Annäherung, die seiner Glaubensüberzeugung zuwiderlief, entgegenstellte. Alles Weitere sind zürcherische Mitteilungen: Man leidet unter der anhaltenden Teuerung und ist zuversichtlich, dass der Krieg in der Südwestschweiz bald beigelegt würde. „Teuerung“ meint, dass die Preise für die überlebenswichtigen Grundnahrungsmittel derart anstiegen, dass sie die meisten Menschen nur noch unter größten Mühen erwerben konnten. Sie gehört zu den existentiellen Erfahrungen der Menschen der Vormoderne; (statistisch) etwa alle vier bis fünf Jahre kam es zu kurzzeitigen Krisen, etwa einmal pro Generation zu einem extremen Krisenjahr. Die Teuerung der Jahre 1528–1533 war eine der großen Ernährungskrisen des 16. Jahrhunderts, die ganz Oberdeutschland betraf. Der erwähnte Krieg war durch die Belagerung von Genf durch Herzog Karl II. von Savoyen ausgelöst worden. Am 10. Oktober hatten Truppen aus Bern und Freiburg i.Ue. die Stadt eingenommen, am 19. Oktober wurde in St-Julien-en-Genevois ein Friedensvertrag geschlossen. Diese Auseinandersetzungen sollten den Savoyer (endgültig 1536) für beinahe 30 Jahre als Akteur in dem regionalen Kräftefeld ausschalten und brachten Bern den Gewinn des Waadtlandes ein.
So sehr der Brief auch durch die geschilderte Entstehungssituation gekennzeichnet ist und emotionale und keine programmatischen Äußerungen enthält, man gewinnt doch den Eindruck, dass die beiden Briefpartner aneinander vorbeiredeten: Auf die zahlreichen Themen, die Philipp in seinem Schreiben angeschlagen hatte, ging Zwingli gar nicht ein, und das Hauptthema, den von ihm erwarteten theologischen Ausgleich mit Luther, verschob er nach Wittenberg. Stattdessen beschwor er das gegenseitige Einvernehmen in politischen Fragen. In der Tat beruhte das beiderseitige Verhältnis auf dem ausgeprägten politischen Talent der beiden Partner. Während Philipp in Glaubensfragen eine undogmatische Flexibilität und eine gewisse Sympathie für Zwinglis Lehren besaß, war Zwingli an einem groß angelegten Bündnissystem interessiert, zu einer Verhandlung theologischer Grundpositionen aber nicht bereit. So sehr hatten sich die Bekenntnisse bereits gefestigt. Als Zwingli im darauffolgenden Jahr verstarb, verliefen auch die politischen Bündnisbeziehungen zwischen Hessen und der Eidgenossenschaft im Sande. Denn die übrigen Eidgenossen betrachteten dieses Bündnis, das sie tief in die Konflikte des Reichs hätte hineinziehen und die sorgfältig austarierte Position der Eidgenossenschaft hätte ins Wanken bringen können, mit großer Skepsis. Die von Landgraf Philipp angestrengte Vereinigung aller evangelischen Mächte im Reich in Bündnis und Bekenntnis blieb eine Episode.