Der Brief Huldrych Zwinglis an Landgraf Philipp von Hessen war ursprünglich klein gefaltet, mit einem durchgezogenen Papierstreifen verschlossen und versiegelt gewesen. Als Anschrift trug er bloß die Worte „Seinem gnädigen Herrn zu eigener Hand“. Das alles deutet darauf hin, dass er keinen offiziellen Postweg genommen hat, sondern seinem Empfänger durch einen persönlichen, vertrauenswürdigen Boten ausgehändigt worden ist. Im Text erwähnt Zwingli, dass man den Kaufleuten, die aus der Eidgenossenschaft auf die Frankfurter Messe zogen, ebenfalls Schriften mitgab. Den Brief schrieb Zwingli mit „verborgen worten“, das heißt mit den Geheimzeichen, die beide Briefpartner für einzelne Signalworte verabredet hatten. Allerdings wären diese Worte vermutlich auch für einen Dritten ohne größeren Aufwand zu erraten gewesen. In der zentralen Frage der theologischen Kontroverse mit Luther wagte Zwingli überhaupt nicht, dem Papier etwas anzuvertrauen.
Die Mitteilungen füllen genau ein Blatt und sind wenig strukturiert. Zwingli gibt zunächst einen Stimmungsbericht aus Zürich. Er lobt Philipps „stanthaffte“, die Standhaftigkeit in der Glaubensfrage, die er erst kurz zuvor bewiesen hatte, als er den Augsburger Reichstag 1530 heimlich verlassen und sich damit in offene Opposition zum Kaiser begeben hatte. Die Zürcher wunderten sich überhaupt, wie weit sich die Fürsten hier auf Zugeständnisse einließen. Als eine längst reichsferne Reichsstadt hatten sie auf Kaiser und Reich kaum noch Rücksicht zu nehmen.
Dann spricht Zwingli die gemeinsamen politischen Projekte an, vorneweg das gemeinsame Bemühen, das seit 1520 österreichische Württemberg für Herzog Ulrich zurückzugewinnen. Als Erzherzog Ferdinand etwas abseits des Reichstagsgeschehens am 5. September bei Schloss Wellenburg die österreichischen Erblande aus der Hand seines kaiserlichen Bruders empfangen hatte, seien, wie man wisse, auch die Lehensfahnen für Württemberg darunter gewesen. Das Herzogtum wurde also wie jedes andere der österreichischen Lande behandelt und drohte, in den Länderverband der Erblande eingeschmolzen zu werden. Für eine gewaltsame Rückeroberung, so versichert Zwingli, stünden genügend Verbündete bereit. Aus sicherer Quelle hatte man auch vernommen, dass die Kaiserlichen trotz der Drohkulisse, die sie auf dem Augsburger Reichstag aufgebaut hatten, eine Erhebung im Reich fürchteten. Die neu begründete Achse Hessen-Eidgenossenschaft begann Wirkung zu zeigen, denn sie war in der Lage eine Massenerhebung („alles hochtütsch land“) gegen den Kaiser anzuzetteln. Schließlich erwähnt er die Zurückhaltung des Königs von Frankreich, den er gerne in den Mächtepoker miteinbezogen hätte, von dem er aber anderseits erwartete, dass er sich aus dem Pensionswesen und damit aus der innereidgenössischen Politik heraushielt.
Anders stand es in der theologischen Kontroverse mit den Lutheranern. Auch wenn Zwingli über seinen Disput mit Luther nichts weiter schreiben will, lässt er an seiner Haltung keinen Zweifel. Er sieht bei den Lutheranern mangelnde Friedfertigkeit, Hochmut und „Fürwitz“. Für ihn stand fest, dass die Lutheraner Christus nicht aus dem Nachtmal „treiben“, das heißt von der Überzeugung von der Gegenwart Christi beim Abendmahl nicht abrücken würden. Mit dem „Augsburgischen Bekenntnis“, der „Confessio Augustana“ war diese lutherische Lehre auf dem Augsburger Reichstag ausformuliert worden. Zwingli hatte eine eigene, wenig diplomatische Bekenntnisschrift „Fidei ratio ad Carolum imperatorem“ dagegengestellt. Dass Melanchthon auf dem Reichstag zu Speyer 1529 seinen gedruckten Kommentar zum Römerbrief des Apostels Paulus ausgerechnet Erzherzog Ferdinand zugeeignet hatte – ein philologisch-theologisches Gesprächsangebot inmitten der scharfen politischen Auseinandersetzung, denn Melanchthon war auch an der Speyrer Protestation beteiligt –, kann er sich nur als Folge von Trunkenheit erklären. In dieser Polemik konnte er sich mit dem Landgrafen einig wissen, der in seinem Brief vom 30. August über den „Krebsgang“ (das heißt das politische Zurückweichen) Melanchthons geklagt hatte. Melanchthon urteilte umgekehrt über Zwinglis „Fidei ratio“, ihr Verfasser scheine närrisch geworden zu sein. Nach dem allgemeinen Eindruck hatte Zwingli der evangelischen Sache mit dieser Bekenntnisschrift großen Schaden zugefügt. Aber in der zentralen Glaubensfrage wollte er sich seinerseits von der Überzeugung einer symbolischen Bedeutung des Abendmahls, von der Überzeugung also, dass in der Lehre Christus aus dem Nachtmahl „getrieben“ werden müsse, nicht abbringen lassen. In den theologischen Streitfragen machte Zwingli dem Landgrafen somit wenig Hoffnung auf eine Einigung.
In der Tat war der Nachrichtenaustausch mit dem Landgrafen wichtiger als der Nachrichtwert des Briefs, zumal Philipp über die meisten Mitteilungen auch anderwärts informiert gewesen sein dürfte. Zwinglis Schreiben entstand an einem Einschnitt, nachdem sich die politische Situation zuvor mehrfach geändert hatte: Philipp und Zwingli hatten sich mit dem Marburger Religionsgespräch angenähert, sowohl, was Bündnis- als auch Bekenntnisfragen anging. Man beabsichtigte ein „Burgrecht“, das heißt einen Bündnis- und Beistandsvertrag, zwischen Zürich, Basel, Bern, Straßburg und Hessen abzuschließen. Das Verhältnis trübte sich im März 1530, als sich Vorbehalte der eidgenössischen Orte gegen ein solches Bündnis abzeichneten und die Burgrechtsfrage verschleppt wurde. Zwinglis „Consilium Gallicum“ und die damit verbundenen weitreichenden (Kriegs-)Pläne missbilligte Philipp und ließ die weiteren Briefe des Zürcher Reformators unbeantwortet. Damit zerschlugen sich auch Zwinglis Hoffnungen, den Landgrafen als theologischer Berater auf den Augsburger Reichstag begleiten zu können.
Diesem Reichstag hatte man große Hoffnungen entgegengebracht Er sollte erstmals wieder in Gegenwart des seit 1521/22 aus dem Reich abwesenden Kaisers abgehalten werden. Das Ausschreiben setzte die Religionsfrage auf die Agenda und nährte die Hoffnungen auf das ersehnte allgemeine Konzil. Philipp suchte nun verstärkt die Annäherung an die Wittenberger, wenngleich er auch in Augsburg noch vermittelnd gegenüber den Reformierten wirkte. Die von Philipp Melanchthon ausgearbeitete und dem Kaiser am 25. Juni überreichte lutherische Bekenntnisschrift „Confessio Augustana“ war von Philipp mitunterzeichnet worden. Der Reichstag nahm dann aber einen ganz anderen Verlauf: Karl V. wies die „Confessio Augustana“ zurück und versuchte die Glaubensfrage kraft kaiserlicher Hoheit zu entscheiden. Mit der „Fidei ratio“ legte Zwingli, wie berichtet, seine eigene Bekenntnisschrift vor, gefolgt von der „Confessio Tetrapolitana“ der Reichsstädte Straßburg, Konstanz, Lindau und Memmingen, die von den Straßburgern Martin Bucer und Wolfgang Capito verfasst worden war und eine vermittelnde Position einnahm. Anstelle eines allgemeinen Konzils, das die Glaubensfragen lösen sollte, stand eine Verhärtung der Fronten zwischen Altgläubigen und Protestanten und eine Verfestigung der innerprotestantischen Lehrmeinungen, die den Weg zu eigenen Bekenntniskirchen wies. Als sich das Scheitern abzeichnete, verließ Philipp am 6. August überraschend den Reichstag, (bestellte) Briefe seiner kranken Frau vorschützend, in denen sie ihn um seine Rückkehr erbat. Damit waren die Weichen in Richtung Konfrontation gestellt und Philipp bemühte sich von neuem, das evangelische Lager um sich zu versammeln. Mit einem eigenhändigen Brief vom 4. September nahm er den Gesprächsfaden mit Zwingli wieder auf; am 25. September ließ er ein offizielles Schreiben an Straßburg an ihn weiterleiten und wertete damit Zwinglis Position als politischem Ratgeber von neuem auf. Von der Freude über die Rückkehr zum gemeinsamen Gespräch ist Zwinglis „Infobrief“ vom 20. September getragen. Ende Juli hatte der Zürcher Rat dem hessischen Burgrecht in einer stark abgeschwächten Form zugestimmt, und am 18. November, ein Tag nach dem Augsburger Reichstagsabschied, wurde in Basel ein „Christliches Verständnis“ genannter Vertrag zwischen Zürich, Basel, Straßburg und dem Landgrafen geschlossen. Er eröffnete die Möglichkeit eines Beitritts der Eidgenossen zu dem im darauffolgenden entstehenden Schmalkaldischen Bund. Philipp selbst brachte nun Frankreich als weiteren Bündnispartner ins Gespräch. Die Lutheraner erkannten die „Confessio tetrapolitana“ an und ein durch die äußeren Umstände erzwungener Ausgleich zwischen Zwingli und Luther war noch nicht außerhalb jeder Reichweite. Zwinglis Andeutung, dass in diesem „Span“ „gehandlet wirt“, weist trotz aller begleitenden Polemik darauf hin. Durch die veränderte politische Lage war die Situation noch einmal offen. Die oppositionellen Kräfte gegen den Kaiser begannen sich zu formieren.