Emil Sehling (Hrsg.), Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. 1. Bd.: Sachsen und Thüringen, nebst angrenzenden Gebieten. 1. Hälfte: Die Ordnungen Luthers. Die ernestinischen und albertinischen Gebiete. Leipzig 1902, S. 174-175 [Edition der Ankündigung an die Amtleute und Schösser].
Literature:
Emil Sehling (Hrsg.), Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. 1. Bd.: Sachsen und Thüringen, nebst angrenzenden Gebieten. 1. Hälfte: Die Ordnungen Luthers. Die ernestinischen und albertinischen Gebiete. Leipzig 1902, S. 40-49.
Irmgard Höss, Georg Spalatin 1484-1545. Ein Leben in der Zeit des Humanismus und der Reformation. 2. durchgesehene und erweiterte Aufl. Weimar 1989, S. 330-337.
Heiko Jadatz, Wittenberger Reformation im Leipziger Land. Dorfgemeinden im Spiegel der evangelischen Kirchenvisitationen des 16. Jahrhunderts. (Herbergen der Christenheit, Sonderband 10.) Leipzig 2007, S. 54-55.
Note:
In der Akte sind zwei kurfürstliche Ausschreiben überliefert: 1. Die Ankündigung der Visitation, gerichtet an die Amtleute und Schösser. 2. Die Ankündigung der Visitation, gerichtet an die Räte der Städte.
Historical Placement:
Erste kirchliche Visitationen lassen sich bereits weit vor der Reformationszeit nachweisen. Bei diesen handelte es sich um Besuche kirchlicher Amtsträger in den Gemeinden oder geistlichen Einrichtungen, die deren Aufsicht unterstanden. Der Zweck dieser Visitationsreisen bestand in der Überprüfung der jeweiligen kirchlichen Verhältnisse direkt vor Ort. In Augenschein genommen wurden beispielsweise die Amtsausübung der Geistlichen sowie die finanzielle und materielle Ausstattung der Kirchen. Schon im 4. Jahrhundert wurden solche Kontrollbesuche zu einer festen, geordneten Einrichtung der bischöflichen Gewalt. Bis ins ausgehende Mittelalter verlor die Institution der Visitation jedoch zunehmend an Bedeutung.
Im 16. Jahrhundert erfuhr das Visitationswesen im Zuge der Reformation und der sich anschließenden Zeit der Verfestigung der verschiedenen christlichen Bekenntnisse schließlich eine erneute Entfaltung, wobei sowohl die Evangelischen, die Reformierten als auch die Altgläubigen das Instrument der Visitation nutzten. Hierbei war es ein wichtiges Merkmal der evangelischen und reformierten Visitationen, dass der jeweilige Landesherr den Auftrag für diese nun selbst erteilte. Das Abhalten von Visitationen ermöglichte es der Obrigkeit, über die durch sie beauftragten Visitatoren Einblick in die kirchlichen Zustände in den einzelnen Gemeinden ihres Herrschaftsgebiets zu nehmen, also zum Beispiel die Amts- und Lebensführung der Pfarrer und Prediger oder das sittliche Verhalten und die religiösen Kenntnisse der Gemeindemitglieder zu überprüfen. Ausgehend von den jeweiligen Befunden konnten dann gezielte Einzelfallregelungen getroffen werden. So ließen sich während einer Visitation beispielsweise ungeeignete Geistliche ermitteln und im Anschluss durch passendere Personen ersetzen. Aber auch allgemeine kirchliche Verordnungen wurden im Zuge von Visitationen erlassen und deren Einhaltung bei nachfolgenden Visitationen überprüft. Gleichzeitig boten die Visitationen eine Möglichkeit, das Kirchenwesen in den jeweiligen Herrschaftsgebieten neu zu organisieren. So konnten die Visitatoren auf der Grundlage der vor Ort eingeholten Informationen zum Beispiel über eine bedarfsorientierte Zusammenlegung einzelner Gemeinden die seelsorgerische Betreuung und die Finanzierung der Pfarreien neu regeln. Insofern ist den nachreformatorischen Visitationen auch eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung und der Festigung der reformatorischen Lehre und bei der Neustrukturierung des Kirchenwesens in den protestantischen Territorien zuzuschreiben.
Beim Aufbau eines solchen nachreformatorischen Visitationswesens darf Kursachsen als Vorreiter gelten. Bereits 1525 wurden im Eisenacher Gebiet erste Visitationsversuche unternommen. 1528 erschien hier zudem Philipp Melanchthons „Unterricht der Visitatoren an die Pfarrherren im Kurfürstentum Sachsen“ mit einem Vorwort Martin Luthers. Diese Schrift wurde zur Grundlage für die weitere kursächsische Visitationstätigkeit und darüber hinaus auch von anderen protestantischen Obrigkeiten herangezogen.
Nachdem 1526 weitere Visitationen in einzelnen kursächsischen Ämtern stattgefunden hatten und 1527 eine Visitation in Weida begonnen, aber nicht zu Ende geführt, sondern in Altenburg wegen äußerer Umstände abgebrochen worden war, fand in den Jahren 1528 bis 1531 schließlich eine erste landesweite Visitation im Kurfürstentum Sachsen statt. Am 6. September 1528 kündigte Kurfürst Johann diese an. Überliefert sind zwei kurfürstliche Ankündigungsschreiben. Eines ist an die Amtleute und Schösser, das andere an die Räte der Städte gerichtet, wobei sich beide Schriftstücke vom Wortlaut her nahezu entsprechen. Begonnen wurde mit der Visitation im Oktober 1528 in Wittenberg. Aus organisatorischen Gründen war das zu visitierende Gebiet zuvor in einzelne Visitationskreise unterteilt worden, die gleichzeitig von verschiedenen Beauftragten bereist wurden. Die Visitationskommissionen bestanden dabei sowohl aus weltlichen als auch aus geistlichen Amtsträgern. Innerhalb der jeweiligen Visitationsbezirke wurden wiederum Visitationsorte festgelegt, zu denen die zur Befragung vorgeladenen Personen zu erscheinen hatten. Über die Gegenstände, die in der Visitation überprüft werden sollten, geben die beiden kurfürstlichen Ankündigungsschreiben vom 6. September 1528 Auskunft: So sollten die zur Visitation vorzuladenden Personen unter anderem über das Einkommen der jeweiligen Pfarreien, Stiftungen, den Gemeinen Kasten (also die Gemeindekasse), die Lehrmeinung und den Lebenswandels der jeweiligen Geistlichen, die seelsorgerische Betreuung und mögliche Glaubensabweichungen innerhalb der Gemeinden befragt werden. Die Aufgabe der Visitatoren bestand bei dieser ersten landesweiten Visitation also in erster Linie darin, eine religiöse und sittliche Überprüfung der Geistlichkeit und der Gemeindemitglieder vorzunehmen, den kirchlichen Besitz zu ermitteln und ausgehend hiervon das Einkommen der Geistlichen und den Unterhalt der Kirchen, Schulen und anderer Einrichtungen zu sichern.