Als 1525 am Hof des Landgrafen ein Breve aus Rom eintraf, erregte das so viel Aufsehen, dass der Text abgeschrieben und anschließend ins Deutsche übertragen wurde, denn nicht nur der Landgraf verstand nur ungenügend Latein. Um das Textverständnis zu erleichtern, löste der Schreiber fast alle Abkürzungen der Vorlage auf, ahmte aber noch ihre graphische Gestaltung (Majuskelschrift in der Titelzeile, zerdehnte st-Ligaturen) nach. Seine Übersetzung bleibt recht nahe an der Vorlage, allerdings ergänzte er einzelne Worte zu Doppelformeln (debito: Pflicht und Amt, optimo: gutem und wohlbedachtem, tempestas: Ungewitter und Unglück, ruina: Fall und Gefahr; offerimus: antragen und anbieten). Im Fall der Übertragung von „non parum debere“ (nicht wenig verpflichtet sein) mit „nicht wenig verpflichtet und zu willfahren schuldig sein“ war die interpretierende Ergänzung im Hinblick darauf, dass hier der Papst spricht, allerdings etwas überschwenglich. Das Breve war das Format der Wahl für administrative und politische Korrespondenz des Papstes. Das Original ist offenbar verloren; es wurde vielleicht im 18. Jahrhundert noch von Johann Philipp Kuchenbecker benutzt, denn er löste das letzte „und“-Kürzung nicht mit „et“, wie der Schreiber, sondern mit „ac“ auf und blieb damit möglicherweise näher an der Vorlage. Auch ein Konzept hat sich im Vatikanischen Archiv nach den Erkundigungen, die Günther Franz anstellte, nicht erhalten, sodass die damals angefertigte Abschrift wohl die einzige erhaltene Überlieferung ist.
Über den historischen Kontext des Schreibens hat eine Kanzleihand zusätzlich eine kurze Notiz aufgebracht: Im Frühjahr 1525 wurden die Bauern bei Frankenhausen durch Herzog Johann von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen vernichtend geschlagen. Darüber habe sich der Papst so gefreut, dass er dieses Schreiben verfasst habe.
Im Text selbst wurden die bemerkenswertesten Stellen unterstrichen; zusammengenommen ergeben sie eine kurze Inhaltsangabe: tapfere Gegenwehr gegen die Lutheraner – Pflicht des Fürsten – Gewalt ist hinzunehmen (besser, ein räudiges Schaf...) – guten Rat erdacht und gebraucht – Luthers Lehre bringt Verderben – Vergeltung im Himmel. Besonders das Letzte mag man mit Aufmerksamkeit gelesen haben, berührte es doch einen zentralen Punkt der kirchlichen Lehre, den Luther mit seiner Rechtfertigungslehre soeben verworfen hatte.
In Rom beobachtete man die Entwicklungen im Reich und das Gefüge der Reichsfürsten, aus dem sich die Machtoptionen des Kaisers ableiteten, sehr genau. Vom Wormser Reichstag 1521 berichtete der Nuntius Aleander über Landgraf Philipp: Er sei ein großer Herr, jung, mit glänzenden Gaben versehen, doch, was bei der Vormundschaft des sächsischen Kurfürsten kein Wunder sei, von schändlichster lutherischer Gesinnung, und er werde Ulrich von Hutten unterstützen. Hier irrte der Diplomat gleich mehrfach: Philipp stand unter der Vormundschaft des Altgläubigen Herzog Georg von Sachsen, hatte sich 1521 noch nicht zu Luther bekannt und hatte mit dem Reichsritter-Poeten und publizistischen Vorkämpfer für die protestantische Sache Hutten nichts zu tun. Auch in der Gesandtendiplomatie waren Fehlinformationen nicht ausgeschlossen.
Die päpstlichen Gesandten urteilten nach dem, was sie selbst sahen und was ihnen zugetragen wurde. So ließ der Marburger Franziskanerguardian Nikolaus Ferber in einem Brief an Landgraf Philipp vom 10. Januar 1525 einfließen, Cochläus und das Provinzialkapitel der Oberservanten (strengere Richtung innerhalb des Franziskanerordens) hätten die Haltung des Landgrafen gegenüber dem päpstlichen Legaten hoch gepriesen, der Ruhm seines Verhaltens sei bis nach Rom gedrungen. Ferber schrieb diesen Brief bereits, um den Landgrafen zu mahnen, der römischen Kirche treu zu bleiben. Das war zu Jahresbeginn. Am 21. August 1525 (zwei Tage vor dem Breve) klagte der Abt des Klosters Haina, dass der Landgraf und sein Umfeld zum Luthertum „abgefallen“ seien und alle Altgläubigen Geistlichen große Bedrängnis und Tyrannei zu erleiden hätten. Der Guardian und der Abt urteilten aus der Nahsicht. War dem Papst aus der Fernsicht die Entwicklung in Hessen unbekannt geblieben? War er abermals schlecht informiert worden?
Die zeitgenössische Einschätzung, dass der Papst aus schierer Freude geschrieben habe, nimmt zwar den Wortlaut des Schreibens auf, geht an seiner eigentlichen Botschaft aber vorbei. Denn die militärischen Erfolge des Landgrafen im Bauernkrieg waren nur der argumentative Ausgangspunkt, um ihn noch einmal nachdrücklich dazu zu ermahnen, dem alten Glauben treu zu bleiben. Das Schreiben war von Diplomaten verfasst, die eine Erwartungshaltung aufbauten, indem sie von einer Interessengleichheit ausgingen und Lob und Mahnung subtil miteinander verschränkten: Bauernkrieg und evangelische Bewegung werden in eins gesetzt, und dem Landgrafen unterstellt, dass er mit dem einen auch das andere ablehne. In dem letzten, mit „Reliqum est“ bzw. „Allein mangelts“ eingeleiteten Teil richtet der Papst schließlich einen Appell an ihn, Kirche, Glaube und Adelsstand zu verteidigen, denn alles drei, so die Behauptung, würden durch Luthers Lehre zerstört. Soweit die Schreiberabsicht. Das Textverständnis dessen, der die Unterstreichungen anbrachte, war allerdings – ob bewusst oder unbewusst bleibe dahingestellt – ein ganz anderes: Dem letzten Absatz brachte er kaum Interesse entgegen, stattdessen las er aus dem Brief vor allem die päpstliche Anerkennung für den zurückliegenden Kriegseinsatz heraus. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand wurde das Breve sogar zur Lachnummer: 1643 wurde es in dem Scherz- und Schwankbuch von Otto Melander, dem Enkel des Kasseler Hofpredigers Dionysius Melander abgedruckt (mit geringen Abweichungen gegenüber der Abschrift und Kuchenbeckers Druck).
Das Breve des Papstes war als letzter Appell gemeint – und lief ins Leere. Knapp eine Woche bevor man in Rom zu Pergament und Feder griff, war in Rotenburg an der Fulda der Bestellungsbrief für Adam Krafft zum Hofprediger ausgestellt worden (15. August). Ausdrücklich heißt es darin, Krafft solle das Wort Gottes und das heilige Evangelium lauter und rein verkünden. Das waren Signalworte für das Bekenntnis zu Luthers Lehren. Philipp hatte Krafft während des Bauernkriegs bei seinem Zug nach Fulda kennengelernt, wo Krafft mäßigend und in der Sache entschieden gegen den Aufstand eingetreten war. Bauernkrieg und Reformation wusste man hier genau zu unterscheiden. Kraffts Berufung nach Kassel bedeutete einen weiteren Schritt zur Öffnung Hessens für die Reformation. Schon wenige Jahre später galt Krafft als der „Bischof von Hessen“, ganz ohne Rom. Insofern besaß der Bauernkrieg tatsächlich große Bedeutung für den weiteren Verlauf der Kirchenangelegenheiten in Hessen, aber ganz andere, als man sie sich in Rom erdachte und erhoffte.