Alltag und Frömmigkeit am Vorabend der Reformation in Mitteldeutschland. Katalog zur Ausstellung „Umsonst ist der Tod“. Hrsg. im Auftrag der Mühlhäuser Museen, des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig und des Kulturhistorischen Museums Magdeburg von Hartmut Kühne, Enno Bünz und Thomas T. Müller. Petersberg 2013, S. 345-394.
Ernst Berner, Geschichte des Preußischen Staates. München/Berlin 1891, zwischen S. 92 und 93.
Irene Dingel, Theorie und Praxis des Ablaßwesens im Mittelalter und am Vorabend der Reformation, in: Der evangelische Erzieher. Zeitschrift für Pädagogik und Theologie 48, 1996, S. 361-372.
Frömmigkeit in Schrift und Bild. Illuminierte Sammelindulgenzen im mittelalterlichen Mühlhausen (Ausstellungen des Stadtarchivs Mühlhausen, Bd. 3. Schriftenreihe der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung, Bd. 29.) Petersberg 2014.
Reinhard Schwarz, Luther. 3., durchges. u. korr. Aufl. Göttingen 2004, S. 54-57.
Historical Placement:
„Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt.“ So soll der Ablassprediger Johann Tetzel (ca. 1460-1519) geworben und damit das Grundprinzip des Ablasses erklärt haben. Doch wie funktionierte das Ablasswesen, das in der spätmittelalterlichen christlichen Frömmigkeit eine so große Rolle spielte?
Mit einem Ablass konnte man sich einen Erlass zeitlicher Sündenstrafen erwerben. Diese zeitlichen bzw. irdischen Sündenstrafen sind von den ewigen Sündenstrafen, die die ewige Verdammnis in der Hölle nach sich ziehen, zu unterscheiden. Die Vergebung der Sünden und damit Tilgung der ewigen Sündenstrafen konnten die Gläubigen nur erlangen, indem sie ihre Sünden bereuten und diese in der Beichte einem Priester bekannten. Der Priester sprach sie dann von ihren Sünden frei (Absolution), legte ihnen aber zur Wiedergutmachung und Läuterung gute Werke auf (Bußleistungen). Diese guten Werke galten als Entsprechung der zeitlichen Sündenstrafen, deren Ausmaß nur Gott kennen konnte. Wenn es dem Gläubigen nicht gelang, die zeitlichen Sündenstrafen im Laufe seines Lebens abzuleisten, musste er die verbleibenden zeitlichen Sündenstrafen im Fegefeuer abbüßen. Das Fegefeuer war in der damaligen Vorstellung die Vorstufe des Himmels. In das Fegefeuer gelangte daher nur, wem zum Zeitpunkt des Todes seine Sünden vergeben und damit die ewigen Sündenstrafen erlassen waren. Die Seelen im Fegefeuer erwartete also anschließend das ewige Heil, allerdings erst nach einer langen Zeit der Qual. Um sich die Zeit im Fegefeuer zu verkürzen, konnte man Ablässe erwerben und damit die zeitlichen Sündenstrafen bereits im irdischen Leben ableisten. Daher war die Nachfrage nach Ablässen im Spätmittelalter sehr groß. Dass die Kirche Ablass gewähren konnte, wurde mit dem „Kirchenschatz“ begründet. Die Kirche verfügte nach dieser Lehre über den Schatz der überschüssigen Verdienste Christi und der Heiligen. Diesen Schatz konnte die Kirche mit den zeitlichen Sündenstrafen der Gläubigen verrechnen.
Ursprünglich konnte man Ablässe unter anderem dadurch erwerben, dass man an Kreuzzügen teilnahm oder sich auf Wallfahrten begab, indem man betete, fastete oder Heiligenbilder andächtig betrachtete. Im Laufe der Zeit traten zunehmend Geldleistungen an die Stelle solcher guten Werke. Die Preise für Ablässe waren sozial gestaffelt: Arme Menschen konnten denselben Ablass günstiger erwerben als Fürsten bzw. reiche Menschen. Die Gewährung von Ablässen reichte von einigen Tagen bis zum vollständigen Erlass aller zeitlichen Sündenstrafen (Plenarablass). Es war auch möglich, für Verstorbene einen Ablass zu erwerben. Mit dem durch Ablässe erwirtschafteten Geld wurden unter anderem kirchliche Bauvorhaben und die Fürsorge für Arme und Kranke finanziert. Ursprünglich waren Ablässe nur zu besonderen Anlässen zugänglich. Um die gestiegenen Finanzierungsbedürfnisse der Kirche und die erhöhte Nachfrage der Gläubigen zu befriedigen, wurden immer häufiger Ablässe ausgeschrieben. Das Medium des Buchdrucks ermöglichte seit der Mitte des 15. Jahrhunderts den massenhaften Verkauf von Ablassbriefen.
Auch beim vorliegenden Dokument handelt es sich um einen gedruckten Ablassbrief, genauer gesagt um einen Beichtbrief. Goswin von Orsoy (ca. 1450-1515), Generalpräzeptor des Antoniter-Hospitals in Lichtenburg, stellte ihn im Jahr 1488 für den jungen Herzog Georg von Sachsen (1471-1539) aus. Damit sicherte sich Georg die Teilhabe an den guten Werken aller Antonitermönche und an Ablässen, die von Päpsten erteilt wurden. Der Beichtbrief berechtigte dazu, sich nach dem Bekennen der eigenen Sünden bei einem beliebigen Beichvater von allen Sünden und kirchlichen Strafen – mit Ausnahme der dem Papst vorbehaltenen Fälle – freisprechen zu lassen. Außerdem konnte Georg abgelegte Gelübde (z.B. für Wallfahrten) – auch hier mit einigen Ausnahmen – in andere gute Werke umwandeln lassen.