Philipp Melanchthon, Wittenberger Universitätsprofessor, Wissenschaftsorganisator und Reformator, der als Bildungsreformer den Ehrennamen „Praeceptor Germaniae“ erhielt, war ein vielgefragter Ratgeber.
Nach seiner Berufung an die Universität Wittenberg 1518 hatten Luther und er damit begonnen, die Universität im Sinne der neuen Lehre umzugestalten. Mit den Statuten der Artistenfakultät aus dem Jahr 1546 fand dieser langwierige Prozess einen vorläufigen Abschluss. Gleichzeitig wurden unter Wittenberger Einfluss auch andere Universitäten in nunmehr evangelischen Territorien reformiert: 1532 die Universität Basel, 1536 Tübingen, 1539 Greifswald, 1539–1542 die Universität Leipzig durch Joachim Camerarius d. Ä. Die Reform der Universität Frankfurt an der Oder hatte Melanchthons Schüler und Schwiegersohn Georg Sabinus vorgenommen, der 1544 Gründungsrektor der gleichfalls protestantischen Universität Königsberg werden sollte. Die Universität Rostock wurde nach Melanchthons Tod 1564 durch seinen Freund David Chytraeus reformiert. An den meisten dieser Reformen war Melanchthon beratend und fördernd, an der der Universität Tübingen auch persönlich beteiligt.
Nachdem Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz (1482–1556) 1544 die Herrschaft in der Kurpfalz angetreten hatte und 1546 mit der endgültigen Einführung der Reformation begann, drängte er ebenfalls auf eine Reorganisation der alten, 1386 gegründeten Universität, und zwar nicht nur in Einzelpunkten, sondern im Ganzen, und hätte diese Aufgabe gerne an Melanchthon übertragen. Doch Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen schlug es ab, seinen Wittenberger Professor dafür freizustellen. Genau eine Woche vor dem pfalzgräflichen Ersuchen hatte sich auch Landgraf Philipp von Hessen an Melanchthon gewandt und ihn gebeten, ein Votum zu einem Gutachten über die Reform der Universität Marburg abzugeben und nach Möglichkeit selbst nach Marburg zu kommen, um „allerlei Gebrechen und Mängel“ an der Universität abzustellen.
Das Verhältnis zwischen Landgraf Philipp und Melanchthon war zu Beginn der 1540er Jahre auf einem Tiefpunkt angelangt: 1539 hatte der Landgraf den Wittenbergern zunächst eine geheime Zustimmung zu seiner Doppelehe abgepresst und sie anschließend durch deren Veröffentlichung düpiert. Nicht minder empörte Melanchthon die auf dem Wormser Reichstag 1541 eingeleitete Annäherung Philipps an den Kaiser, die ihrerseits wiederum die Voraussetzung dafür bildete, dass die Marburger Universitätsgründung noch in demselben Jahr die kaiserliche Bestätigung erhielt. Melanchthon war von Landgraf Philipp tief enttäuscht, warf ihm böswillige Täuschung und Heuchelei vor und war infolge der mit dem öffentlichen Eklat verbundenen Aufregungen schwer erkrankt. Erst durch Philipps Vermittlungen zwischen Johann Friedrich und Herzog Moritz von Sachsen 1542, die einen sächsischen Bruder- bzw. „Vetternkrieg“ verhinderten, begannen sich die Beziehungen wieder zu glätten. 1543 konnte Landgraf Philipp durch eine Intervention bei Kurfürst Johann Friedrich erreichen, dass sich Melanchthon an der (letztendlich gescheiterten) Kölner Reformation unter Erzbischof Hermann von Wied (1477–1552, Erzbischof 1515–1547) beteiligte. Dennoch zeigte Melanchthon nun wenig Neigung, nach Hessen zu reisen. Er war noch immer, wie es in der Antwort des Kurfürsten nach Heidelberg sicherlich ohne Übertreibung heißt, ein „ableibiger und arbeitseliger Mann“ und gesundheitlich „sehr schwach“. Nach dem Tod Luthers am 18. Februar 1546 lag die ganze Arbeitslast bei ihm alleine. Zudem war die Aufforderung des Landgrafen nicht mit allzu großem Nachdruck ausgesprochen worden (ja sogar, was Melanchthon aber nicht wissen konnte, erst nachträglich in den Brief des Landgrafen aufgenommen worden). Deshalb verwies Melanchthon in seiner Antwort an den Landgrafen auf seinen kurfürstlichen Herren, der ihm, wie im Fall des Pfälzer Ansuchens, keinen Urlaub gewähren würde. Auch Philipps Bitte um eine schriftliche Stellungnahme beantwortete er nur schmallippig: Er las das zugesandte Gutachten durch und brachte auch eine Anmerkung darin an (die auf dem urschriftlich zurückgesandten Stück in Marburg überliefert ist), fügte aber keine weiteren eigenen Anregungen hinzu. Stattdessen übersandte er einen Druck der Wittenberger Universitätsstatuten und heute verlorene Aufzeichnungen, die wohl das Stipendiatenwesen betrafen. Melanchthons Stellungnahme sollte in die hessische Stipendiatenordnung von 1546 einfließen. Weitergehende Reformen der Universität blieben wegen des Ausbruchs des Schmalkaldischen Kriegs aus.
Erst 1557 besuchte Melanchthon noch einmal, wenn auch nur kurz die Marburger Universität und wurde hier festlich empfangen. Er befand sich auf der Durchreise zum Reichstag nach Worms und wurde von seinem zweiten Schwiegersohn, dem Wittenberger Professor Caspar Peucer begleitet. In demselben Jahr wurde auch erneut die Bitte aus der Pfalz an ihn herangetragen, sich an der Reform der Universität Heidelberg zu beteiligen. Abermals lehnte er ab, obwohl Heidelberg sein „Vaterland“ sei – Melanchthon stammte aus dem kurpfälzischen Bretten und hatte im kurpfälzisch-badisch-württembergischen Herrschaftsdreieck zwischen Pforzheim, Heidelberg und schließlich der Universität Tübingen seine wissenschaftliche Prägung erfahren –, denn er wolle sich nicht noch mehr aufladen. In dieser Situation verwies er wiederum auf die notwendige Beurlaubung durch seinen kursächsischen Landesherrn – die dieser in diesem Fall aber erteilte. Vom 22. bis 31. Oktober reiste Melanchthon deshalb nach Heidelberg, um ein Reformprogramm für die Universität auszuarbeiten, das alle vier Fakultäten erfasste. Am 27. Oktober erhielt er dort die Nachricht vom Tod seiner Frau, die er, Persönliches zugunsten seines Auftrags zurückstellend, krank in Wittenberg zurückgelassen hatte. Begleitet wurde er bei dieser Reise wiederum von Peucer, außerdem von Philipp Camerarius (Sohn des Joachim) und dem Greifswalder Professor Jakob Runge. An diesen Namen lässt sich ablesen, wie, gestützt auf Wittenberger Gelehrtennetzwerke, langsam eine neue protestantische Universitätslandschaft entstand.