AmZ 29 (Nr. 6, 7.2.1827), Sp. 90–96. „Am 3. September, dem Geburtstage S. K. H. des Grossherzogs, wurde es [das Theater] mit Rossini's Barbier von Sevilla wieder eröffnet, welche Oper man am 4ten wiederholte, da Dem. Henr. Sontag, die auf ihrer Rückreise von Paris nach Berlin zwey Tage in Weimar verweilte, sich bereit finden liess, die Rolle der Rosine als Gast zu übernehmen. Die Oper gefiel, doch nicht so sehr, als man vielleicht erwartet hatte, wahrscheinlich desswegen, weil das Publikum nach der Bekanntschaft mit Tancred, Cyrus, Italienerin in Algier, Inganno felice nicht sehr viel Neues mehr zu hören bekam, oder auch überhaupt an Rossini genug hatte. Die zweyte Vorstellung aber gewann neuen Reiz durch die gepriesene Sängerin, die eben in Paris Triumphe gefeyert hatte. Es würde ermüden, ausführlich über eine Künstlerin zu sprechen, von der seit einigen Jahren alle Blätter voll sind; daher hier nur in kurzen gedrängten Worten das Urtheil stehen mag, in dem sich alle unbefangene Kunstverständige Weimar's vereinigen. Dem. Henr. Sontag ist sehr hübsch, hat schöne Figur, spielt anständig, artig und gewandt; ihre Stimme ist angenehm, ihre Methode der neueren italiänischen Musik höchst angemessen, sie singt mit grösster Genauigkeit und bewundernswerther Leichtigkeit, und gebraucht die halbe Stimme, so wie alle Auszierungen des Gesanges, mit einschmeichelnder Grazie. Alle diese Eigenschaften zusammen, deren jede einzelne leicht an mancher Sängerin in höherm Grade gefunden wird, die aber in so schöner Vereinigung, als sie Dem. S. besitzt, wohl nur äusserst selten einer Künstlerin zu Gebote stehen, machen die gefeyerte Sängerin zu einer ungemein lieblichen Erscheinung, und es ist gar nicht zu verwundern, dass sie, zumal wenn man auch ihre Anspruchlosigkeit und Liebenswürdigkeit ausser dem Theater kennt, zum Enthusiasmus hinreisst, der dann leicht und gern übertreibt. So haben wir z. B. es nur durch solchen Enthusiasmus erklärbar gefunden, dass Pariser Blätter die Stimme der Dem. S. die herrlichste nannten, die je in Frankreichs Hauptstadt gehört worden sey. Ob die ausgezeichnete liebenswürdige Künstlerin auch andere Musik, als die von Rossini und ähnliche, z. B. die Donna Anna im Don Juan, würdig auszuführen im Stande sey, möchten wir freylich nach dem, was uns in der einen Vorstellung von ihrer Stimme, Methode und ihrem Vortrag überhaupt kund ward, bezweifeln; da sie aber die eben genannte Rolle in Paris wirklich gegeben hat und, wie man sagt, mit grossem Glück, so wollen wir ihr auch gern diese Vielseitigkeit zutrauen, die allerdings geeignet ist, Dem; S. wirklich die hohe Stufe als Künstlerin zu sichern, auf die sie ihre Verehrer auch ohne solche bedeutendere Kunstleistungen schon längst gestellt haben.“ (Ebd., Sp. 90f.)