Vorankündigung in: Weimarische Zeitung, Nr. 100, 15.12.1852, S. 988: „Den Freunden dramatischer Kunst steht in den nächsten Tagen ein außergewöhnlicher Genuß bevor durch das Auftreten des in kurzer Zeit zu so außerordentlicher Berühmtheit gelangten Ira Aldridge auf dem hiesigen Hoftheater. Dieser Künstler, bekanntlich ein Neger, spielt in englischer Sprache und führt deßhalb eine englische Schauspielertruppe mit sich. Die Energie und der lebendige Ausdruck seines Spiels sollen aber dasselbe so allgemein verständlich machen, daß ihm auch die der fremden Sprache Unkundigen leicht folgen können. Das Verständniß wird indeß noch dadurch erleichtert, daß Herr Aldridge Shakespeares Othello, der ja in Deutschland durch Uebersetzung längst allgemein bekannt ist, zu seinem Auftreten gewählt hat. Der Gast, der zuerst in England seinen Ruf gegründet hat, hat nun auch in Deutschland überall, wo er aufgetreten ist, begeisterte Anerkennung gefunden. Er hat bisher die Rheinischen Städte bereist; in jüngster Zeit ist er in Leipzig, Halle und Coburg aufgetreten und an allen diesen Orten stimmt man überein, daß seine Leistungen von der außerordentlichsten Art sind. Hätten wir nichts zu erwarten als das noch nicht dagewesene Schauspiel eines wirklichen Negers auf der Bühne, so würden wir dafür der Theaterdirection im Interesse der Kunst wenig Dank wissen. Anders verhält es sich aber in der Wirklichkeit, da wir es mit einem Schauspieler ersten Ranges zu thun haben. Daß diesen die Direction zu einem Auftreten auf dem hiesigen Theater vermocht hat, deßwegen gebührt die aufrichtige Anerkennung des Publicums. Die Pflicht dieser Blätter aber war es, auf den bevorstehenden außergewöhnlichen Kunstgenuß hinzuweisen.“
Rezension in: Weimarische Zeitung, Nr. 102, 22.12.1852, S. 1012: „Ira Aldridge, der afrikanische Tragöde, der eine europäische Berühmtheit geworden, hat nun auch auf unserm Hoftheater eine Gastvorstellung gegeben: Othello und das Vorlegeschloß […]. Ob Ira Aldridge ein wahrhaft ursprüngliches Genie? Die Antwort bleibt keiner, der Kunstverständniß und Kunstgefühl besitzt, schuldig. Ein Zweifel ob dieser Anerkennung würde sogar lächerlich scheinen, wenn man bedenkt, wie leicht es dem [!] forcirten Genies der gegenwärtigen Theaterepoche gemacht wird, sich zu großen Künstlern stempeln zu lassen. Der afrikanische Tragöde jedoch, erhielt sein Genie als ein Naturgeschenk, und was die Natur ihm in ungewöhnlicher Splendidität als Eigenthum gegeben, das hat er durch ein ernstes Studium in die Form der Kunst gebracht. Sein Othello war ein Genuß: plastisch schön gestaltet in der Intention, edel und großartig in der Objectivität der Durchführung. Es ist wunderbar, wie die Macht eines gebornen Genies fortzureißen vermag; denn wenn wir annehmen, daß die englische Sprache im Gegensatz zur französischen, dem Allgemeinen weniger verständlich ist, so darf man in Beziehung auf Aldridge eben behaupten: Das wahre Genie wird überall verständlich sein, weil es durch die empfundene Wahrheit seiner Darstellungsweise das Gemüth des Zuschauers zu ergreifen, und ihn in seine eigene Stimmung hinein zu ziehen vermag. So geschah es uns mit dem afrikanischen Tragöden. Nicht allein daß er sich durch seine markige Natur auszeichnete, wie man hie und da im Publicum behaupten wollte, er hat auch ein ganzes Studium poetischer Stürme, eine psychologische Feinheit in den Details zur Anschauung gebracht. Fangen wir mit seinem ersten Auftreten an, wo er vor den Senatoren stehend, von Brabantio angeklagt wird, dessen Tochter durch Zauberkünste gewonnen zu haben; welche geschlossene Ruhe, welch würdige Haltung, welch staunenswerthe Einfachheit in der Art und Weise, wie Othello (Aldridge) das Entstehen seiner und Desdemondes Liebe schildert: dann, welche Innigkeit des Gefühls, wo Desdemonden – nachdem sie ihn flehte, dem Cussio zu vergeben – sich entfernen mußte, und er ihr Lebewohl nachruft. Ton, Gebehrde und Haltung sind Harmonie, man hört durch den Klang der Stimme eine so tief-poetische Empfindung für Desdemona hindurch, daß bei solcher Anlegung des Characters der Sprung zur wüthendsten Eifersucht seine vollkommene Berechtigung findet. Versteht der Mohr so zartsinnig zu lieben, so muß er, seiner Raçe nach, sich auch im Haß erschöpfen können. Und von der andern Seite wieder, wie intensiöse war der Uebergang zur Eifersucht von dem Tragöden angelegt. So tropfenweise ihm Jago das Gift der Eifersucht beibringt, so tropfenweise sehen wir dasselbe sich auch im Bluthe des Othello vertheilen. Darnach folgt nun sein vorsichtiges, zurückhaltendes Sondiren, Desdemona gegenüber; alsdann, welche Seelenmalerei im Ausdruck des Schmerzes, wo er klagend seines Herzens Ruh, seinen Frieden, selbst seinen Ehrgeiz hinfahren läßt. Wenn ihm Jago wirklich den Beweis der vorgeblichen Untreue Desdemonas in die Hände legt, da sprengen alle Bande, wir sehen den Zorn der Eifersucht in seinen natürlichen Consequenzen vor unsern Augen sich entwickeln, wobei Aldridge, ob er auch noch so wüthet und raset, stets plastisch in Gestalt und Haltung, stets Herr seiner Mittel, seines künstlerischen Studiums bleibt. Er lebt sich systematisch in die Steigerung den [!] Raçen-Eifersucht hinein. Wir sagen Raçen-Eifersucht, insofern die Leidenschaft eines Mohren, Natur und Blut gemäß, eine wildere, unbezähmbarer sein wird, als die eine Europäers; findet man also nach deutscher Anschauung den Ausbruch der Wuth und Verzweiflung zu grell, so findet man jedenfalls etwas Falsches. Gehen wir zum Abschluß des Aldridg’schen Othello, so müssen wir für unser Theil gestehen, er war der Culminationspunkt seiner Darstellung. Unvorbereitet im wilden Aufflammen der Leidenschaft, wäre die Manier, in welcher unsere deutschen Schauspieler gemeinhin als Othello morden, richtiger, nämlich: geräuschvoll, fiebernd, mit einem Anlauf von blutdürstigem Pathos. Aldridge aber, der mit seinem Urgenie die Rolle des Othello bis zum letzten Hauch naturgetreu gehalten, mordete steinernen Gefühls. Othello war in sich fertig. Der Mord stand fest in seiner Seele. So allmählig wie die Eifersucht in ihrem Wüten hervorwuchs, so allmählig hat auch der Gedanke des Mordes sich zur absoluten Nothwendigkeit in ihm ausgebildet, für jedes andere Gefühl unzugänglich, was seiner Seele zur Natur geworden; die Hand allein blieb leben, sie mußte den Streich vollführen, wie mechanisch. Aldridge erfüllte uns mit Staunen, indem er die Mordscene mit solcher künstlerischen Größe zum Abschluß brachte. […] Von der Aufnahme welche Ira Aldridge hier gefunden, wollen wir nichts erwähnen, weil wir fürchten müßten unser intelligentes Publicum zu verkleinern. Große Genies können nicht mit Salonempfindungen, oder mit gemäßigtem Bürgerblut beurtheilt werden. Große Genies verlangen intelligente Naturen im Zuschauerraum, oder Naturen, die frisch weg von Herzen lachen und weinen können. Wir behaupten, Herr Aldridge mußte aller Orten die glänzendsten Triumphe feiern, warum also nicht auch hier?“