AmZ 35 (Nr. 32, 7.8.1833), Sp. 525–529. „Von Robert der Teufel ist schon in so vielen Zeitschriften (auch in diesen Blättern) zum Theil so ausführlich die Rede gewesen, dass unsere Auseinandersetzung wohl zu spät käme – indessen erlaubt sich doch der Ref. einige Bemerkungen. Ungeachtet diese Oper bey uns in kurzer Zeit fünf Mal bey ziemlich vollem Hause gegeben wurde, so hat sie doch im Ganzen nur sehr Wenigen gefallen. Daran ist grossentheils das Textbuch schuld, dem es an wirklicher Handlung und wahrem Interesse ganz und gar fehlt, das trotz Teufeley und Zauberey voll von Inconsequenzen und Unwahrscheinlichkeiten ist; – in welchem ein alberner süsslicher Teufel, aus dem kein Mensch recht klug wird, und sein völlig charakterloser, nichts bedeutender Sohn die beyden Hauptfiguren sind; welches gegen religiösen Sinn, gegen alle richtige, würdige Ansicht der Kunst und gegen allen guten Geschmack oft verstösst, und nicht selten durch Hässliches, Scandalöses und durch die in fast allen neueren französischen Opern schamlos auftretende rohe, gemeine, sinnliche Liebe (das Wort ist noch zu gut für die Sache) widerlich und ekelhaft wird. Dass dennoch manche Scene unterhält, oder von gewisser dramatischer Wirkung ist, lässt sich nicht läugnen und ist wohl von dem des Theaters so kundigen Dichter, zu erwarten, dass aber dergleichen nicht hinreicht, um ein Operntextbuch zu einem guten zu machen, wird Jeder zugeben. – Dem Componisten ist sowohl durch Lob, als durch Tadel viel Unrecht geschehen – am schlimmsten aber hat er selbst für seinen wahren Ruhm gesorgt. Ref. ist der Meinung, Hr. Meyerbeer besitze ein sehr achtungswerthes Talent, gute Kenntniss und Schule und hinreichende allgemeine Bildung, um im Stande zu seyn, ein Werk zu schaffen, das seiner Kunst Ehre bringe. Ein solches Werk aber brächte dann auch wohl ihm selbst wahre, bleibende Ehre bey seinen Landsleuten und im fremden Lande, wenn auch nicht gleich im ersten Augenblicke wüthenden, rauschenden Applaus der durch Aeusseres bestochenen grossen Menge. Aber Herr Meyerbeer, der durch seine äusseren überaus günstigen Verhältnisse so gestellt ist, dass er schreiben kann, wie Gott und die Kunst es wollen, und ruhig abwarten, wie und wann die Leute es anerkennen werden, hat es von jeher vorgezogen, sich und seine Kunst so herabzustimmen und so zu drehen und zu wenden, wie er glaubt, dass der applaudirende Haufen es eben gern hat. Daher hat er in Italien Rossini und Consorten lieber sclavisch nachgeahmt, als sich selbst treu bleiben wollen, und sich nun endlich in Paris durch Jahre langes Mühen und Quälen eine Composition abgezwungen, die grossentheils ausser dem Gesetz ist. Man muss, wenn man gerecht seyn will, zugeben, dass mancher dramatische Moment wahr und treu, zuweilen sogar schön und grossartig aufgefasst sey, dass manche reizende Melodie da und dort aus dem tobenden Vocal- und Instrumentenlärm auftauche, dass neben einer Menge Herz und Ohr zerreissender Accordfolgen auch manche tüchtige, würdige Harmonie erscheine, und dass sich überhaupt nicht wenig Gutes und Schönes, der ersten Idee und Anlage nach, vorfinde. – Aber alles dieses Rühmenswerthe wird erdrückt und geht fast spurlos unter durch die Ausführung, in der das ängstliche merkliche Streben nach Originalität häufig zum Barocken führt, Künsteley, Ziererey und Drechseley statt Geist und Gefühl geboten wird, und Anstrengung und Schwierigkeit im Auffassen und im Technischen eben so sehr abstösst, als die bis zum Uebermaasse getriebene Verschwendung aller äusseren Mittel. Dass von Durchführung der Charaktere nicht die Rede seyn kann, mag man Hrn. Meyerbeer wohl noch vergeben, da sein Dichter ihm diess grösstentheils unmöglich machte; dass er aber bey den grossen Ansprüchen in jeder Beziehung, mit welchen sein Werk ohne allen Hehl aufzutreten sich erdreistet, es nicht über sich gewinnen konnte, fremde Gedanken, die ihm eben dienen konnten, zurückzudrängen, sondern dass er sie vielmehr mit wirklich naiver Freyheit als die seinigen verwendet, das ist ihm nicht zu vergeben. Das zum Theil imponirende Aeussere der Oper nebst allerley Teufeley für's Auge und Ohr hält das Publicum ein paar Mal über vier Stunden fest (ursprünglich dauert die Oper über fünf Stunden, man hatte aber hier tüchtig gestrichen); wahrscheinlich wird sie jedoch über's Jahr Niemand mehr sehen und hören wollen.“ (Ebd., Sp. 526–528)