Weimarer Zeitung, Nr. 270, 18. November 1857, S. 1091: „Die dankenswerthe Vorführung des gewaltigen dramatischen Dreiklanges in seiner Ungetrenntheit hat gewiß bei allen für solche hohe geistige Genüsse Empfänglichen den ganzen erhebenden Eindruck hervorgebracht, den diese, ohne allen Zweifel größte und vollendetste Dichtung Schillers jedesmal hervorbringen, so oft die ganze Großartigkeit der Anlage dieses Gesammtdramas, die ganze Consequenz der Durchführung des Grundgedankens, die ganze Meisterschaft in der Bewältigung eines solchen Stoffes dem Zuschauer vergegenwärtigt wird. Umsomehr müssen wir beklagen, daß gerade gestern [am 15. Nov.], wo der Eindruck der beiden vorangegangenen Aufführungen […] durch die des erhabenen Schlußdramas „Wallensteins Tod“ erst seine wahre Vollendung und Weihe erhielt, das Theater in manchen seiner Theile eine so schwache Frequenz zeigte, wie sie bei einer solchen Vorstellung an keinem Orte, am Allerwenigsten aber hier, in Weimar, der Geburtsstätte dieser größten aller deutschen Tragödien, hätte stattfinden dürfen. Ungern möchten wir der Vermuthung Raum geben, als ob der laut und enthusiastisch bekannte Schiller-Goethe-Kultus, dem man hier in fast allen Kreisen begegnet, keineswegs überall gleichbedeutend sei mit jener wahren Pietät gegen unsre großen Dichter, welche jede Gelegenheit willig und dankbar ergreift, durch tieferes Eindringen in ihre erhabenen Werke (welches durch nichts so sehr, als durch eine gelungene scenische Darstellung derselben vermittelt wird), in ihren Geist sich zu versenken und mit der läuternden Glut ihres Genius sich zu durchdringen, als ob vielmehr auch hier so Mancher und so Manche mit dem besagten Kultus sich abzufinden glaube durch den beiläufigen Besuch eines und des andern einzelnen Stückes von Schiller und Goethe, oder auch wohl nur einzelner Akte solcher, etwa beim Auftreten eines renomirten auswärtigen Mimen. Dieser Mangel an Theilnahme war um so bedauerlicher, als die Aufführung des gestrigen Stücks, ebenso wie die der beiden vorangegangenen Theile der Trilogie, eine im Ganzen sehr wohlgelungene war. Das Hauptinteresse dieser gewaltigen Tragödie concentrirt sich so wesentlich in der Persönlichkeit des Wallenstein, daß schon allein die vollendete Darstellung diesese Charakters, wie sie, von der ersten bis zur letzten Scene, mit bekannter Meisterschaft unser trefflicher Genast lieferte, mehr werth ist und tiefere Eindrücke hinterläßt, als ganze Dutzende unsrer gewöhnlichen Durchschnittsdramen. Die beiden nächst dem Wallenstein bedeutendsten Persönlichkeiten Max und Thekla wurden mit Wärme und offenbarem Ernste des Eindringens in den Geist der Rolle und der Verlebendigung ihrer wahren Bedeutung gespielt. Frl. Wagner, in welcher wir gern eine strebsame und für ihren Beruf lebhaft begeisterte Schülerin der hiesigen Bühne begrüßen, wird hoffentlich das störende Hinderniß, welches zur Zeit noch ihrem Sprechen – wir wissen nicht, ob eine falsche Angewöhnung, oder ein Naturmangel der Tonbildung entgegensetzt – glücklich überwinden lernen. Bedauerlich ist, daß auch ein im Uebrigen so geschulter, mit so mannigfachen glücklichen Mitteln und einem so unverkennbaren Eifer, Tüchtiges zu leisten, begabter Schauspieler, wie Hr. Grans, einer Verwöhnung im Sprechen verfallen ist, welche ihn durch die Monotonie eines gewissen elegischweichen Tonfalles die besten Stellen seiner Rollen oftmals um ihren wahren Geist und ihren wirksamen Eindruck bringen läßt. – Die übrigen Rollen, meist gut und im Geiste der Dichtung gehalten, geben uns zu wenig besondern Bemerkungen Anlaß. Hrn. Lorchers „Octavio“ erschien uns in den „Piccolomini“ noch mehr aus einem Gusse und von sichererer Auffassung, als in „Wallensteins Tod“, obgleich er auch hier recht gute Momente hatte. – Der schwedische Hauptmann, für den Darsteller jederzeit ein Probestück richtiger Declamation, ward mit Ausdruck und Mäßigung von Hrn. Wünzer gesprochen, den wir auch nebst Herrn Herrmann als flotte Holkische Jäger im „Lager,“ gleichwie Hrn. Franke als taktfesten und seiner Würde bewußten Wachtmeister rühmend erwähnen müssen.“