Weimar. / Großherzogl. Hof-Theater. / Donnerstag den 17. December 1857. / Zweite Gastdarstellung des Herrn Emil Devrient, / Ehrenmitglieds der Königlich=Sächsischen Hofbühne. / Bei aufgehobenem Abonnement: / Hamlet / Prinz von Dänemark / Trauerspiel in sechs Aufzügen von Shakspeare, übersetzt von Schlegel.
date:
Thursday, 17. Dec 1857
date (classification in time):
1855-1860
performance site:
Weimar, Hoftheater
order:
1
number of acts:
6
review:
Weimarer Zeitung, Nr. 296, 19.12.1857, S. 1194: „Ein hoher und seltener Kunstgenuß ward uns gestern Abend zu Theil. Die Darstellung des „Hamlet“ durch Hrn. Emil Devrient gehört sicherlich zu dem vollendetsten, sowohl was dieser hochbegabte Künstler leistet, als was in dieser so unendlich schwierigen Rolle geleistet werden kann. Der, von dem Dichter mit all seiner wundervollen Meisterschaft durchgeführte, aber, unähnlich den meisten Shakespeareschen Charakteren, mehr innerlich gährende und sich in sich abarbeitende, als in äußeren Handlungen thatkräftig sich entfaltende Charakter des Dänenprinzen, der darum bei einer minder eindringenden Auffassung des Darstellers, leicht unklar und räthselhaft erscheint, tritt in dem durchdachten Spiele Devrients mit einer plastischen Einheit, Folgerichtigkeit und Anschaulichkeit vor das geistige Auge des Zuschauers, daß diesem dadurch mehr, als durch manchen gelehrten Commentar, das volle Verständniß der Intentionen des Dichters aufgeht. Namentlich weiß Devrient die ungeheure Wucht des das ganze Wesen Hamlets beherrschenden und alle andern Empfindungen in dessen Seele entweder austilgenden oder in seine Kreise bannenden Gedankens an den Mord seines Vaters und an seine Pflicht, diesen zu rächen, mit einer Energie und überzeugenden Wahrheit zur Anschauung zu bringen, daß alle Handlungen und Reden Hamlets, auch die scheinbar weniger unmittelbar damit zusammenhängenden, wie die Scene mit Ophelia, davon ihr wahres Licht empfangen. Die gestrige Vorstellung hat bei uns und gewiß bei Allen, die derselben beiwohnten, aufs Neue den Wunsch erregt, daß es Herrn Emil Devrient möglich gewesen sein möchte, uns noch öfter den Genuß zu verschaffen, ihn in großen, klassischen Stücken zu bewundern. Freilich müssen wir fast Bedenken tragen, einen solchen Wunsch hier auszusprechen, da die auch gestern wieder bemerkbar, auffallende Leere mancher und gerade hervorragender Theile des Hauses fast wie eine Verleugnung dieses im Namen des hiesigen Publikums geäußerten Wunsches, jedenfalls als eine schlechte Ermuthigung für fremde Künstler erscheint, in klassischen Meisterwerken auf der hiesigen Bühne aufzutreten. Im „Majoratserben“ und im „Englisch“ gab es natürlich ein volleres Haus.“