Weimarische Zeitung, Nr. 291, 13.12.1883, S. 1f: „[…] Der Dichter hat die einzelnen Charaktere mit einer Feinheit und Sorgfalt angelegt und durchgeführt, die sich in unseren modernen Stücken nur selten noch findet. Freilich werden infolgedessen auch sehr hohe Anforderungen an die ausübenden Künstler gestellt. Sie bedürfen ihrer ganzen Kunst, um das Publikum über manch recht heikle Stellen hinwegzuführen. […] Was nun die Darstellung anbelangt, so gebührt vor allen Dingen Herrn Lehmann (Vater) und Herrn Brock (Baron) volles Lob. Ersterer gab ein prächtiges Bild von dem einfachen schwachen Gatten und Vater und spielte namentlich die Szene nach dem Hochzeitsdiner, bei welchem er sich einen kleinen Haarbeutel angetrunken, so köstlich, so unwiderstehlich komisch und dabei doch so dezent, daß ihm mit Recht dafür lauter Beifall lohnte. Herr Brock hatte die äußerst schwierige Rolle des Barons vortrefflich ausgearbeitet, alle Zügen kamen voll und ganz zur Geltung, die großen Schwächen des Charakters hatte er mit einer solchen Liebenswürdigkeit umgeben, daß sie ganz unschuldig erschienen, und in der bedenklichen Szene mit seiner Frau, wo diese wie eine Wahnsinnige sich geberdet, behielt er so viel Ruhe und Würde, daß das Peinliche dieses Auftritts dadurch gemildert wurde, kurz Herr Brock kann diese Rolle zu seinen besten zählen. Auch Fr. Hettstedt genügte in ihrer kleinen Rolle. An Herrn Walter (Doktor) vermißte ich zu sehr den Liebhaber. Er muß in seinem Spiel es hie und da durchblicken lassen, daß er selber Prisca liebt, das Publikum muß es merken, sonst glaubt man es ihm nicht, wenn er seine Liebe dem Baron schließlich eingesteht, auch verliert ja dadurch das Spiel Priscas mit dem Hausarzt das Interesse. Herr Cabus (Diener) war ebenfalls nicht auf der Höhe der Situation; ich gebe zu, diese Rolle hat ihre bedenklichen Seiten, namentlich ist die Stelle, wo er den Eltern seiner gnädigen Frau eine Rede hält, sehr unwahrscheinlich, indessen ließe sich doch mehr daraus machen. Man muß gleich von Hause aus mehr den Eindruck eines alten würdigen Haushofmeisters haben, der seinen Herrn auf den Armen gewiegt, ihn die ersten ritterlichen Künste gelehrt und ihm später als wohlmeinender Rather und ernster Mahner zur Seite gestanden habe. Mit Fräulein Jenickes Auffassung der Prisca namentlich in den leidenschaftlichen Szenen kann ich mich am wenigsten einverstanden erklären. Es handelt sich doch um ein Konversationsstück, das bedenklich alterirt wird, wenn tragische Elemente hineingetragen werden. Der Konversationston muß unter allen Umständen festgehalten werden, aber selbst abgesehen davon, die Künstlerin darf sich niemals zu einem solchen Grade von leidenschaftlicher Raserei hinreißen lassen. Es ist anzunehmen, daß Fräulein Jenicke durch das Wort der Mutter: die Tochter habe einen verstockten Charakter, zu dieser Darstellung verleitet ward, denn das schätzen wir ja besonders an Fräulein Jenicke, daß sie eine bedeutende Künstlerin ist, die ihre Rollen mit der größten Sorgfalt durchstudirt. Aber hat Prisca denn einen verstockten Charakter? Ich meine nicht. Dem Baron gegenüber liegt ihr Herz wie ein aufgeschlagenes Buch offen da und der Hausarzt, der sie seit ihrer Kindheit kennt, giebt dem Baron als Heilmittel an: mach‘ sie verliebt. Wäre dies bei einem verstockten Charakter so leicht? Die Mutter findet sie nur verstockt, weil das jungfräuliche Herz von der Liebe berührt sich selbst den sorgenden Eltern in mädchenhafter Scheu verschließt. Die Situation im 3. Akt ist eine peinliche für die junge Frau, aber die Künstlerin darf die Farben nicht zu stark auftragen, weil sonst Disharmonien in das Stück kommen. So wie Fräulein Jenicke die Szene spielte, wirkte sie peinlich und verändert den Charakter der Dichtung vollständig. Man hat viel gesprochen davon, daß das Stück frivol sei.. Ich will auf diese Frage des Näheren nicht eingehen, aber wenn dieselbe überhaupt aufgeworfen werden konnte, so sehe ich die Ursache dazu wesentlich in dem Umstand, daß die falschen Lichter, die Fräulein Jenicke der Rolle der Prisca gab, das ganze Stück in eine falsche Beleuchtung stellten.“