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Weimar. / Großherzogl. Hof-Theater. / Sonntag den 3. Mai 1868. / 122te Vorstellung im Jahres=Abonnement. / Mignon. / Oper in drei Akten mit Benutzung des Goethe'schen Romans „Wilhelm Meister's Lehrjahre“ / von Michel Carre und Jules Barbier. Deutsch von Ferdinand Gumbert. / Musik von Ambroise Thomas.
Datum:
Sonntag, 3. Mai 1868
Datum (zeitliche Klassifikation):
1865-1870
Aufführungsort:
Weimar, Hoftheater
Reihenfolge:
1
Aktanzahl (laut Quelle):
3
mit Schauspielmusik/Einlage:
ja
Details zur Schauspielmusik:
Im ersten Akte: Zigeunertanz, arrangirt von Hrn. Franke II.[...]
Rezension:
Neue Berliner Musikzeitung 22 (27.5.1868), S. 174: "Das Hauptereigniss der nun abgelaufenen musikalischen Saison war Ambroise Thomas' neue Oper „Mignon". Dieselbe wurde, da es nicht möglich war, Wagner's neue komische Oper „Die Meistersinger von Nürnberg" fertig zu bringen, zur Verherrlichung der Feier des Geburtstages unserer kunstsinnigen Frau Grossherzogin Sophie gewählt. Nachdem 3 Aufführungen stattgefunden, ist es erst möglich, über den Werth und die Aufnahme der Oper Erschöpfendes zu berichten. Hat dieselbe auch keinen enthusiastischen oder auch nur durchschlagenden Erfolg erlangt, so war doch die Aufnahme bei den beiden letzten Aufführungen eine freundliche. […] Besondere Auszeichnung verdienen unsere gut talentirte, fleissige Gästin, Fräulein Reiss, welche die keineswegs leichte Parthie der Mignon in kaum 14 Tagen studirt hatte, gesanglich recht Gutes leistete und durch poetische Wiedergabe ihrer Hauptrolle auch strengeren Forderungen gerecht wurde. Sehr Gutes bot, wie fast in allen Fällen, Herr v. Milde als Lothario; auch Frau Podolsky wusste ihre Fertigkeit im Coloraturgesange an's Licht zu stellen und sich durch feines, grazieuses Spiel auszuzeichnen. Recht brav war auch Herr Sarits in seiner Sprechrolle; auch Herr Knopp und Herr Meffert leisteten Befriedigendes, so dass die Hauptträger der Oper öfters durch freundlichen Hervorruf ausgezeichnet wurden. Das Sujet unserer Novität setzen wir als bekannt voraus, da die gewandten Bearbeiter derselben, Carré und Barbier, wesentlich dem berühmten Romane „Wilhelm Meister" unseres deutschen Dichterfürsten W. v. Göthe gefolgt sind. Die daraus zurechtgeschnittene Fabel ist nicht besser und nicht schlechter als manche andere nach classischen Motiven zurecht gemachte Opern - Unterlage. Den gebildeten Deutschen widern freilich die hier und dort auftauchenden Verballhornisirungen ziemlich an. Auch der in Rede stehende Text hat sein Theil Banalitäten. Der vom Original abweichende Schluss, worin Mignon sich an Wilhelm Meister glücklich verheirathet, ist uns immer noch bei einer komischen Oper angenehmer als der zu Gunsten weichlicher deutscher Sentimentalität später vom Componisten hinzugefügte Schluss, worin Mignon aus Eifersucht gegen Philine stirbt. Der Componist der „Mignon" war bei seiner musikalischen Kundgebung bemüht, sich in den deutschen Geist zu versenken, und so bemerkt man sofort nach Anhören einiger Nummern des Opus, dass sein Schöpfer die deutschen Meister der Gegenwart und Jüngstvergangenheit, namentlich Wagner und Liszt, Robert Schumann und Meyerbeer studirt hat. Harmonik, Rhythmik, Melodik und Instrumentation der „Mignon" giebt von dem fleissigen Studium des Componisten, dem dabei auch einige Anklänge mit untergelaufen sind, achtungswerthe Kunde. Freilich hat er als guter Franzose es nicht verschmäht, auch einige effectmachende Trivialitäten anzubringen, wie z. B. die Polonaisenmelodie der Philine, welche ein Hauptmotiv der Ouvertüre abgiebt. Im Uebrigen besitzt der Autor der in Rede stehenden Novität oft eine bemerkenswerthe Zurückhaltung, namentlich in der Parthie des Lothario. Bei dem Suchen nach charakteristischer Darstellung läuft auch einiges Geschraubte und Gesuchte mit unter, namentlich in Bezug auf Declamation im Gesanglichen, wodurch die Darstellung einigermassen erschwert wird. Einen besonders bemerkenswerthen Eindruck machte Mignon's Gebet, Wilhelm's Arie: „Froh und frei", Mignon's Lied: „Kennst du das Land" (vielleicht ist Liszt's „Mignon" nicht ohne Einfluss auf die Abfassung dieser Piece gewesen) und das effectvolle Finale des ersten Actes mit seinem banalen Schlusse. — Die Singacademie producirte in ihrem zweiten Concert Schumann's „Sängers Fluch" und Mendelssohn's „Athalia"; im dritten Liszt's „Prometheus", worin namentlich der reizende Schnitter- und feurige Winzerchor zündeten. Max Bruch's Frithjof-Scenen werden vielleicht nur von dessen neuestem Werke „Salamis" an Schwung und Effect überboten."